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Stern Roter Stern
Wer mit Wem (30.6.2001)
Artikel im Klarofix (Leipzig)

2 Jahre Roter Stern Leipzig, gleichsam der Aufstieg der ersten Männermannschaft in die 1. Kreisklasse wurden am 9. Juni mit einem großen "Vereinsfest" im Sportpark Dölitz gefeiert. Wer mit wem wo was hatte und wer leider leer ausging, wer nicht mehr laufen konnte und wer hingegen so nüchtern war, dass es beinahe grotesk wirkte, welcher Spieler den schönsten Hintern hatte und warum man zu so einem Vereinsfest eigentlich hingehen sollte, steht hier:

9. Juni, Vereinsfest, Roter Stern Leipzig, Sportpark Dölitz, 10 DM Eintritt, L.E. Allstars, Voice of a Generation. Die Fakten sind genannt. Jetzt zu den wesentlichen Dingen. Wieder einmal hat es nicht geregnet. Die Feinde des Roten Sterns werden sich mal wieder in die Bierflasche gebissen haben. Freitag komplett verregnet, Sonntag komplett verregnet, Samstag: Sonnenschein, bei manchen reichte es gar zum Sonnenbrand.

Der Rote Stern hat sich mal wieder alle Mühe gegeben. Es ist Samstag früh 9 Uhr. Die angrenzenden Nachbarn sind über den Umstand informiert worden, dass es lauter werden könnte. Die Nachbarsfrau von Reifen-Heinold ist begeistert über die ganzen Jugendlichen, Hauptsache es sind nicht diese Russen, die ihr sonst immer so in den Garten scheißen. Die Straßenbahnhaltestelle glänzt im morgendlichen Sonnenschein und wartet gediegen ihrer Zerstörung. Die ersten Wahnsinnigen des Roten Sterns schälen sich aus den Schlafsäcken, sie hatten die Nacht im Festzelt verbracht, und lassen ihr müdes Auge über das weite Rund des Dölitzer Sportparks gleiten. Ein leichtes zufriedenes Seufzen entgleitet dem ein oder anderen jungen Mann in diesen frühen Morgenstunden angesichts ihrer großen Liebe Roter Stern.

Gegen 11 Uhr beginnt das Treiben und Organisieren, Machen und Hämmern, Lachen und Ausruhen; die ersten alkoholischen Getränke bzw. das erste drogengetränkte Zigarettchen werden konsumiert, ein bisschen wie Woodstock. Dass ein Vereinsfest keine Punkerscheiße ist, merkt die geneigte Betrachterin alsbald. Das Festzelt steht, die Preise im Stile einer Innenstadt-Veranstaltung werden gerade an die großen Tafeln gepinselt, die Werbebanden werden aufgestellt, der Trainer der taufrischen B-Jugend erscheint im gediegenen Jacket (der Autor jener Zeilen kann das nicht einmal richtig schreiben, was andere anziehen). Die Zeiten, als sich beim Roten Stern noch darüber unterhalten wurde, was bitteschön ein Vereinsfest solle, und ob Vereinsfest nicht doch lieber wenigstens "Vereinsfest" heißen sollte, in Anführungszeichen also, diese Zeiten sind endgültig vorbei. Alles ist professioneller geworden, was der allgemeinen Freude allerdings keinen Abbruch tut. Man muss nur mal einen Tag vergessen, dass man eigentlich links und kulturkritisch ist, dann ist auch das Rote-Stern-Vereinsfest ein Garant für gute Laune.

Dass zwar alles einen professionellen Anstrich hat, unter der Fassade aber doch ganz punkermäßig ist, merkt man spätestens dann, wenn 9 Uhr als allgemeiner Treffpunkt für "Die Erste" und "Die Zweite" angesetzt sind, von den 30 Personen, aber lediglich 10 da sind, ansonsten die, welche zwar nicht den Ruhm einheimsen (sprich aktiv spielen), aber hinter den Kulissen das Projekt am Laufen halten.

12 Uhr ist Anstoß für die neuformierte B-Jugend. Selbst den größten MotivationskünstlerInnen gelingt es aber kaum, dem Spiel der neuen B-Jugend positive Aspekte abzugewinnen. "Sie haben zumindest zuende gespielt!", "Es hat sich immerhin keiner verletzt!", "Die Regeln waren weitestgehend bekannt!", "Na aber hallo, wir haben sogar ein Tor geschossen!" versuchten sich die beiden Trainer in vorsichtigem Optimismus. Nur auf mehrmaliges Nachfragen, wird einem im Flüsterton das Endergebnis von 1:7 verraten. In Insiderkreisen wird jedoch von einer "Fälschung des Endresultates gesprochen". Von offizieller Vereinsseite gab es zu diesem Vorwurf bis zum heutigen Tage jedoch keine Stellungnahme. Die Einschätzung eines Spielers der "Ersten", dass "die ja nicht gewinnen sollen, sondern einfach nur da sein, damit wir aufsteigen können" wurde hingegen von Vertretern des Vereins strikt zurückgewiesen. Die B-Jugend sei von unmittelbarer Wichtigkeit.

Glaubten alle, schlimmer könne es ja gar nicht mehr kommen, wurden sie im darauffolgenden Spiel eines besseren belehrt. Die L.E. Allstars (früher hießen sie noch etwas gediegener: L.E. Losers) prügelten sich mit "der Zweiten" vom Roten Stern. Eigentlich immer sehr lustig, diese Partien, stehen sie doch häufig kurz vor einer Schlägerei, Roter Stern gegen die Glatzen: eine brisante Mischung. Diesmal blieb es jedoch ruhig, was auch an dem Umstand liegen könnte, dass die Allstars die gesamte Spielzeit überlegen waren, spielerische Defizite also nicht durch andere schlagfertige Argumente ersetzt werden mussten, wie es in anderen Spielen häufig der Fall war. Da die Hippies von der Zweiten weder spielerisch noch schlagtechnisch irgendwie mithalten konnten, entstand das aus Rotern-Stern-Sicht blamable 4:8.

Da man dem Spiel eigentlich nur mit einer leichten masochistischen Veranlagung folgen konnte, blieb nur der Blick auf die Äußerlichkeiten. Überhaupt sind die Hintern der Spieler allemal interessanter als der Ball, den ihre krummen Beine durch die Luft schleudern. Besonderes Augenmerk durfte dabei auf den Spieler der Allstars mit der Nummer 14 gelegt werden, dessen Hintern, durch die engen Hosen nur spärlich dem Blick der BetrachterInnen entzogen werden konnte. Seine beinahe schon als Choreographie zu bezeichnenden Bewegungen wurden teils mit Bewunderung, teils mit unterdrücktem, glucksendem Lachen zur Kenntnis genommen.

Mittlerweile hatte sich das Rund ganz ordentlich gefüllt. Besonderes Interesse verdiente der schön gestaltete Merchandise-Stand. Neben Schals und T-Shirts gab es dort alles, was eigentlich niemand braucht, dennoch von allen gekauft wird: Tassen von Ikea mit scheinbar aufgebügeltem Vereinslogo, Biertulpen, Anglerhüte etc. die ganze Palette mit der jeder "Der größte Scheiß vom Merchandise"-Wettbewerb zu gewinnen ist.

Auch der Rest war ganz nach dem Geschmack eines/r durchnittlichen Vereinsfestbesuchers/in gestaltet, alles natürlich mit linkem Anstrich. Es gab Bier, Würstchen, Steaks, Musike, und einen DKP-Stand, der nach Augenzeugenberichten allerdings nicht so gut funktionierte, neue Mitglieder wurden nicht geworben, die gemeinsame Sache kaum diskutiert.

Ein Vereinsfest bleibt eben ein Vereinsfest, und ein Verein bleibt ein Verein: "Die Erste" lief komplett mit hässlichem Iro auf dem Kopf auf, lediglich der einzige Punker im Team verweigerte sich diesem kindischen Blödsinn. Hätten sich die Spieler wenigstens noch alle einen Oberlippenbart wachsen lassen, hätte das ganze ja noch was gehabt, so allerdings... Nunja! So rannten sie nun also über den Platz, die Kinder reicher Eltern, die etwas Rebellion spielten und aus völlig unerklärlichen Gründen von den wirklichen Punkern am Spielfeldrand nicht die Fresse voll bekamen, sondern gnädig angefeuert wurden.

Problematisch wurde es allerdings dann auf dem Spielfeld, sahen doch nun alle irgendwie gleich aus. Spieler, die man sonst nur anspielt, wenn sie völlig unbedrängt gar keine Fehler machen können wurden nun plötzlich zum ersten mal gleichberechtigt in das Spiel eingebaut, was natürlich auf der einen zu erheblichen Verunsicherungen auf der anderen Seite zu einem extrem fallenden Niveau führte. 1:1 der logische Endstand dieser bitteren Partie des ersten gegen den zweiten der 2. Kreisklasse.

Danach war endlich Schluss mit diesem widerlichen Gekicke und man konnte sich endlich den wesentlichen Dingen eines solchen Vereinsfest widmen: Saufen und Gröhlen. Vorher war noch Siegerehrung, mit allem drumherum, Pokal und so und dann endlich Schluss und abstürzen.

Die Backseats spielten und Voice of a Generation. Machten beide ordentlich Krach, der Pöbel konnte tanzen, Bier verschütten und schon die ersten Annäherungsversuche starten. Danach war Disko angesagt und jetzt endlich entstand für Augenblicke richtig gute Vereinsfeststimmung. Besoffene Männer lagen sich in den Armen und gröhlten "Ole Ole" und "Fortza Fortza Roter Stern", laut schreiend wurde Bier verspritzt und mit lautem Lachen als bravouröses Gag gefeiert. Junge Frauen, die sich leicht über ihre von oben bis unten besudelten Sachen beschwerten wurden wort- und speichelgewaltig der Kollaboration mit dem Hippietum verdächtigt. Die ersten Menschen fielen beim Laufen über die Tanzfläche um, einer raste bereits vor Dunkelwerden geradlinig mit dem Gesicht in den Dreck. Nett auch, dass eine paar BesucherInnen ihre Hunde mitgebracht hatten, die ebenfalls einen heiden Spaß hatten, denen die Freude, ständig irgendwelchen umfallenden Leuten ausweichen zu müssen, geradewegs ins Gesicht geschrieben war.

Dem Schreiberling jener Zeilen, als aufmerksamer Beobachter der Szenerie, entgingen ebenfalls die zwischenmenschlichen Dramen nicht, welche sich am Rande abspielten. Alte, über Monate gepflegte Distanzen zwischen ehemaligen Pärchen, lösten sich im Dunste des Alkohols zusehends auf, küssende Menschen, welche sich am nächsten Tag wohl entsetzt an den Kopf gegriffen haben, waren allerorten präsent. Auch der gesunde Beziehungskrach bei 3 pro Mille an den Ecken des Geschehens war wie immer sehr erfolgversprechend. Leichte Missverständnisse, bedingt durch eine eingeschränkte Wahrnehmung der Situation, sowie verminderter Kommunikationsmöglichkeiten, dürften sich am nächsten Tag allerdings wieder erledigt haben. Dennoch ist das "isch habe disch doch lieb", lallend vorgetragen von einer abwechselnd nach vorn und hinten wankenden Person, immer kurz vor dem Hinfallen, ein netter Anblick bei einer jeden solchen Veranstaltung.

Das absolute Highlight des Abends war jedoch die Zelebrierung des Karl-Dall-Hits "Heute schütte ich mich zu!", welcher gleich zwei mal gespielt und vom gesamten Festzeltpublikum mitgegrölt wurde. Ganze Familien (wie die des DJs) lagen sich nun in den Armen und grölten was das Zeug hielt. Angetrunkene Personen entdeckten in diesem Song den Höhepunkt des Abends, während die nüchterne Fraktion immer mehr in sich zusammensackte.

Nach weiteren Gesanges- und Tanzeinlagen wurde der Abend standesgemäß noch einmal mit "Heute schütte ich mich zu" beendet. Ein paar Rangeleien (Chemie oder nicht Chemie) beendeten das schöne Vereinsfest, verlagert wurde nun die Party auf das Zoro, wo das Fest schließlich sein Ende in gewohnter Atmosphäre fand. Am nächsten Tag konnten sich alle versichern, dass es ein gelungenes Fest war, mit 700 Personen zwar weniger da waren als letztes Jahr, dafür aber mehr Alkohol verbraucht wurde: Eine positive Bilanz also. Alles in allem ein gelungenes Fest. Im nächsten Jahr wünschen wir uns das wieder. Einmal pro Jahr muss es der Connewitzer Bevölkerung erlaubt sein, ganz tief einzutauchen in die Niederungen absoluter Prolligkeit.

o.i.

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