Mitgliederversammlung bei Chemie
... Schon lange nicht mehr so viel Spaß gehabt...
Als ordentlich zahlendes Mitglied bei einem Verein
in diesem Falle beim FC Sachsen Leipzig 1990 e.V. freut man sich
alle Jahre wieder auf die Jahresmitgliederhauptversammlung. Noch mehr
freut man sich auf eine solche Versammlung, wenn solch ein Jahr, wie es
Chemie durchlebt oder die Fans eher durchlitten haben, bilanziert werden
soll. Und der Abend sollte wirklich lustig werden. Noch vor Beginn der
Veranstaltung war einem klar, wo man hier war. Die Kneiperin fragte nicht,
ob man die Karte will, sie fragte auch nicht, welches Getränk gewünscht
ist, nein, sie stellte nur fest: Nen Großes, hä...
Und schon stand das große Pils vor mir. Ohne Worte. Nun gut, das
aber nur am Rande. Dann ging es hoch in den Tagungssaal und auf dem Weg
dorthin die ersten Hassgesichter: Ex-Präsi Till und Ex-Schatzmeister
Bär einträchtig beieinander stehend mit den Resten ihrer offensichtlich
immer noch vorhandenen nicht unbeträchtlichen Anhängerschar.
Ich weiß nicht, wie blöd man sein, diesen Volldeppen immer
noch hinter herzurennen. Im Saal zirka 200 Mitglieder, die erwartungsfroh
dem Abend entgegenschauen. Der erste Paukenschlag: Bezeichnender hätte
es nicht sein können, denn nach 5 Minuten versank das versammelte
Präsidium im Dunkeln, alle Lichter waren dort ausgegangen.
Dann übernahm der neue Präsident und Banker Christian
Rocca das Zepter und bei aller gesunden Skepsis, die man ihm entgegenbringen
muss: Er machte insgesamt eine gute Figur, souverän führte er
durch den Abend und besonders wohltuend die Nüchternheit, die er
bei der Wiedergabe der Bilanz und der Schilderung der Zukunftspläne
für den Verein ausstrahlt. Hier kurz die Zusammenfassung: Der Verein
hat das Insolvenzverfahren überstanden. Mit dem jetzt fast ausgeglichenen
Etat von 2,2 Millionen DM wird in den nächsten 1, 2, 3 Jahren und
darüber hinaus mehr als der Verbleib in der Oberliga nicht drin sein.
Im übrigen ist der jetzige Etat der geringste Etat seit 1990. Der
jetzt erreichte Tabellenstand ist überaus zufriedenstellend, aber
auch wenn er schlechter wäre, wäre das auch noch positiv. Für
die Regionalliga gibt es perspektivisch keinen Etat. Der Verein ist vollständig
von der geliebten Sportwelt getrennt, vielmehr bereitet man gerade noch
die Rückforderung von Geldern in sechsstelliger Summe vor. Zur überaus
brisanten Fusionsfrage stellte Rocca auf Nachfrage sehr diplomatisch fest,
dass es in der jetzigen Situation ausgeschlossen ist, er aber nicht sagen
könne, was denn 2015 oder 2025 hier los sei. Kurzer Kommentar eines
hinter mir sitzenden Vollblutchemikers mit allem was dazu gehört:
Is mir donn egol, da lebsch nüsch mehr... Zusammenfassend
bleibt bei Rocca festzustellen, die Chemie-Seele verkörpert er nicht,
aber nach den Jahren des Größenwahnsinns unter Till ist das
vielleicht auch gar nicht verkehrt. Lustiger wurde es dann im zweiten
Teil, denn hier stand die Vergangenheit, eine mögliche Entlastung
des alten und eine mögliche Einsetzung einer Untersuchungskommission
auf der Tagesordnung. Und da war er wieder, der FC Hollywood Leipzig.
Alle alten bekannten Kräfte betraten die Bühne. Aber auch das
war sehr unterhaltsam: Ein paar Fakten, die einiges zum Innenleben des
Vereins aussagen: Ex-Manager Achterberg hat innerhalb von 22 Monaten sein
Gehalt von 6000 auf 12 000 DM verdoppelt, dazu gab es noch einige Extras:
800 DM pro Punkt, bei Erreichen der 3. Profiliga 50 000 DM und beim Aufstieg
in die 2. Bundesliga 100 000 DM. Ollendorf! Ich warne Dich. Alle Fakten
auf den Tisch! Weiter mit den Fakten bei Chemie: Spieler Carsten Klee
, alle, die im Stadion in der letzten Saison waren, kennen dieses blinde
Huhn, erhielt im Monat 18.000 DM (!!!) zuzüglich Auflauf- und Torprämie,
Wohnung und PKW. Und das Ganze ist auch noch 10 Jahre nach der Wende möglich.
Dummbatzige Ossis lassen sich von mittelklassigen Gaunern aus dem Westen
völlig verarschen. Und die Tatsache, dass dann das alte und das neue
Präsidium vehement dafür warben, die Vergangenheit ruhen zu
lassen und nach vorn zu schauen und dafür solche Autoritätsfiguren
wie Trainer Jürgen Raab und Kapitän Hagen Schmidt benötigt
werden, zeigt, dass man die vielen garantiert noch vorhandenen Leichen
im Keller liegen lassen will. Zu einer Entlastung des alten Präsidiums
kam es dann nicht, da kein schriftlicher Rechenschaftsbericht inklusive
Abschlussrechnung vorlag. Das soll wohl im Frühjahr passieren. Auffallend
bei dem ganzen Geschehen, welches bis weit nach Mitternacht ging, war,
dass die Gruppe um Ex-Präsi Till noch einen hohen Einfluss hat. Das
mag vielleicht auch daran liegen, dass die Gruppe um Thomas Kupfer und
der BSG Chemie Leipzig e.V. , die leidenschaftlich für die vollständige
Aufklärung der Geschehnisse der letzten Jahre warben, äußerst
undiplomatisch und konfus agierten. Durch lange Reden, schlecht formulierte
Anträge nervten sie nicht nur ihre Gegner. Das üben wir noch
einmal... Resumee: Chemie lebt noch. Das hätten viele am und nach
dem 9.6. 2001 nicht für möglich gehalten. Das neue Präsidium
macht einen ganz soliden Eindruck, und ich denke, man sollte die in den
letzten Monaten unternommenen erfolgreichen Versuche, das Verhältnis
vom Roten Stern und Chemie insbesondere zu bestimmten Fangruppen
zu verbessern, konsequent weiterführen. Das bedeutet aber
auch, öfters mal wieder bei Chemie vorbei zu schauen. Nur dann können
wir dort auch auf die Fanatmosphäre positiv Einfluss nehmen. Es geht
also weiter mit: Wir sind die Grünen, wir sind die Weißen,
die auf Traktor Dösen scheißen!!!
Der Abgeordnete
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