Auf einer grünen Wiese zwei Tore aufgestellt...
oder
Der Rote Stern Leipzig baut ein sich Stadion
Es ist Freitag Nachmittag um halb drei, von der Eins her
ertönt Geschrei. Platzer Nosen ist aus dem beseelten Mittagsschläfchen
erwacht. Wie so oft hatten ihn die aufmüpfigen Kleinen der ansässigen
Grund- und Mittelschule am Vormittag seiner Nase wegen gehänselt und ihn
auch sonst durch allerlei Unfug an die nervliche Belastungsgrenze und
in die Müdigkeit getrieben. Schnell den Sand aus den Augen gewischt, tritt
er wutschnaufend in die glühende Sonne. Ein „Runter von der Eeens!!!“
in angemessener 100-Dezibel-Lautstärke und ein paar stimmige Handbewegungen
sollen den Rotzern der RSL-C-Jugend klarmachen, dass ihr Training auf
dem Nebenplatz stattfinden wird.
Demonstrativ schnappt er sich einen Sack weißen Pulvers
und schreitet hastig gen Kreidemaschine. Routiniert schiebt er selbige
mit einer Hand den Jugendlichen entgegen. In der anderen führt er 6 (!)
Fahnenstangen mit sich. Einigen gelingt die Flucht, andere können den
Fahnenstangen nicht mehr entkommen und müssen nach Anweisung diese befestigen.
Schließlich sollen hier am Wochenende die RSL-Heimspiele stattfinden.
Im Jugend-, Frauen-, Männer- und Seniorenbereich pflügen
hier Sterne wöchentlich mehr oder minder erfolgreich den so geliebten
grünen Rasen um. Eine zentrale Spiel- ,Trainings- und Begegnungsstätte
für jung, alt und noch älter im Herzen von Connewitz soll es sein. Im
Kabinentrakt geben sich die Teams die Klinke in die Hand und bald darauf
im Vereinsheim die Ehre. Dort bewirtschaften nämlich Olle und Toischel
die angeschlossene Spo. Es wird geprollt. Alles fiebert dem Sonntag entgegen
wenn es von Stadionsprecher Walli wieder heißt: „Äh...hallo... hallo,
hier beim Heimspiel unseres Roten Sterns in der Micha-Millitzer-Arena!
Ähm...mein Nam’n sachsch ma nisch!“
Micha-Millitzer-Arena? Was soll das denn jetzt? Der Rote
Stern Leipzig trägt die Heimspiele seiner beiden Männerteams im Sportpark
Dölitz aus. Die B-Jugend spielt bei Turbine und damit fertig. Wozu brauchen
wir einen eigenen Platz? Mit Dauerpächter Einheit Leipzig Ost haben wir
einen gültigen Vertrag und wir kommen auch sonst ganz gut mit denen aus.
Außerdem würde solch ein Projekt Unsummen an Zeit und Geld verschlingen,
welches sinnvoller eingesetzt werden könnte. Und wie soll ein Verein bei
dem nicht die geringsten organisatorischen Aufgaben, wie das rechtzeitige
Zurückbringen des einzigen Hallenschlüssels, zu bewältigen sind, ein Stadion
unterhalten. Wir haben weiß Gott andere Probleme.
Nun gibt es tatsächlich Argumente und Fürsprecher für den
Bau eines vereinseigenen Sportplatz. Allerdings ist so ein Unternehmen
auch Spielwiese für Fantasten und Größenwahnsinnige. Hieraus muss aber
nicht zwangsläufig ein Widerspruch entstehen, stellt der Plan doch auch
die Erfüllung eines lange gehegten Traumes dar. Ein eigenes zu Hause.
Wer eine 2-Raum-Wohnung hat, der kann sich auch keine 5
Kinder anschaffen. So die Logik des für Sportstätten der Stadt Leipzig
zuständige Sport- und Bäderamtes. Da der Rote Stern extrem kinderlieb
ist, liebäugelt er also jetzt mit einem Umzug. Weg vom kleinen romantischen
Park Dölitz in die Micha-Millitzer-Arena, sozusagen ein Einfamilienhaus
mit Wintergarten und 2 Klos.
Der Rote Stern Leipzig ist bestrebt durch vielfältige Möglichkeiten
des Mitwirkens (z. B. Teilnahme am aktiven Spielbetrieb) zu einer integrativen
Plattform zu werden. Das erste Männerteam stellt eine Art Aushängeschild
und unterzieht sich in Sachen Spielaufstellung einer Art Leistungsprinzip
im Rahmen der dazu bereiten und vorhandenen Spieler. Ambitionierte Spieler,
die nicht zu diesem Rahmen gehören, haben die Möglichkeit in
der 2. Mannschaft dem runden Leder zu frönen. Doch hier treffen diese
Spieler auf Spaßfußballer, welche sich nicht dem permanenten
Leistungsdruck aussetzten möchten, sich am Wochenende einfach mal
bewegen und gegen die Rinde treten möchten und dazu auch noch bereit
sind sich wegschießen zu lassen. Dabei herrscht eine
scheinbar unüberwindbare Diskrepanz in Motivation und Leistung innerhalb
des Teams. Ein drittes Männerteam müsste her. Hierfür steht
auch das entsprechende Klientel Gewehr bei Fuß.
Seit nunmehr zwei Jahren besteht beim Roten Stern Leipzig auch als Frau
die Möglichkeit in einem Frauenteam zumindest zu trainieren. Nachdem
die ersten Schritte gemacht und durch intensives Training die fußballtechnischen
Grundlagen geschaffen worden sind, bleibt der Eintritt in den aktiven
Spielbetrieb zu vollziehen.
Das erste Männerteam konnte sich im letzten Spieljahr durch das
Erreichen von Platz 1 für die 1. Kreisklasse qualifizieren. Dabei
ist die Bedingung für die Teilnahme am Spielbetrieb der 1. Kreisklasse
mindestens eine Jugendmannschaft zu unterhalten. So begab es sich, dass
der Rote Stern eine B-Jugendmannschaft für die Saison 2001/02 anmeldete
und noch immer hat.
Naturgemäß werden diese Jugendspieler auch älter und ein
Großteil ist im nächsten Spieljahr nur noch für eine A-Jugend
spielberechtigt. Da es ob des großen Altersunterschiedes (13-17jährige)
keine Möglichkeit gibt alle Spieler in einem Team spielen zu lassen,
sind, um Fairness und Kontinuität gegenüber den Jugendlichen
zu gewährleisten, zum Spieljahr 2002/03 also schon zwei Jugendteams
von Nöten.
Da das Interesse für ein Seniorenteam ebenfalls riesig ist, wären
dies vier Teams, die zusätzlich zu den bereits bestehenden Drei im
Ligabetrieb mitkicken sollen und somit unbedingt eine Spielstätte
brauchen. Dieser Umfang von Teams übersteigt die Kapazitäten
für Trainings- und Spielbetrieb des Park Dölitz total. Ohne
Platz, kein Fußball! Doch woher nehmen? Ein Glücksfall ist,
dass die B-Jugend bei Turbine am Goethesteig gegen Geld Training und Heimspiele
abhalten darf. Doch auch hier sind die Möglichkeiten fast ausgereizt.
Die Verhandlungen mit anderen Vereinen (z. B. SG LVB, Eintracht Süd)
über die Mitnutzung derer Sportplätze erwiesen sich als schwierig
und schließlich als erfolglos.
Der ordnungsgemäße Spielbetrieb des ersten Männerteams
und die zu gewährleistende Sicherheit in der Stadtliga ist ob fehlender
Absperrungen des Spielfeldes in Frage gestellt.
Eine geeignete Barriere im Park Dölitz zu errichten ist zwar eine
lobenswerte Idee, jedoch mit den Verantwortlichen von ELO nicht zu machen.
Der Nutzungsvertrag schreibt uns zweimal zwei Trainingszeiten pro Woche
und Heimspielrecht für zwei Teams zu. Ansonsten gilt das Hoheitsrecht
des Pächters.
Eine zentrale Spiel- ,Trainings- und Begegnungsstätte würde
den Roten Stern Leipzig als sozialen Identifikationsfaktor entscheidend
nach vorn bringen. Die Organisation des Spiel- und Trainingsbetriebes
wäre wesentlich vereinfacht. Gleichzeitig bildet sich durch das Mitwirken
bisher außenstehender Konsumenten bei selbigen, ein
förderliches Verantwortungsbewusstsein heraus.
Der Plan ein eigenes Stadion zu bauen fantastisch und unrealistisch.
Doch es sei gesagt, dass das Stadion zu aller erst einen Sportplatz darstellt.
Einen Konsumtempel à la AOL-Arena in Hamburg wird es nicht geben.
Ebenso ist ein Komplettkauf und eine Soforterrichtung einer solchen Anlage
nicht machbar. Im Bewerbungswahnsinn der Städte und Stadien für
die Fußball-WM 2006 in der BRD wird der Rote Stern nicht mitmischen
und auch bessere Konsum- und Vermarktungsmöglichkeiten sollen bei
diesem Projekt nicht im Vordergrund stehen. Entgegen der kapitalistischen
Realität, den Stadionbesuch und den Fußball als zu konsumierende
Produkte und Waren zu begreifen, möchten wir das Baby namens Micha-Millitzer-Arena
selber schaukeln, frei nach dem Motto: Wir sind Roter Stern! Wir
können ALLES!
Micha-Militzer-Arena-Crew
PS: Die Stadiongruppe trifft sich jeden Dienstag 18 Uhr im Conne Island,
Fanladen, Abhängraum. JedeR ist herzlich eingeladen.
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