Die Kirche im Dorf lassen?
Der TV-Mogul Kirch wankt. Und tausende Premiereabonnnenten bangen um
Ihr exklusives Fernsehfußballerlebnis. Völlig zu Unrecht,
denn ob Kirch oder Murdoch, Pay-TV bleibt. Und bleibt der selbe Mist.
Ein Plädoyer für den Stadion- oder Kneipenbesuch:
Der Wackelkandidat
Das angeschlagene Medien-Imperium des Münchners Leo Kirch scheint
zu wackeln. Kirch besitzt zum einen die Kirch Media, sein Kerngeschäft,
mit dem größten Filmvorrat in Europa (12.000 Spielfilme, 48.000
Programmstunden),milliardenschweren Rechten an neuen Hollywood-Produktionen
und erfolgreichen Film- und Fernsehproduktionsgesellschaften (Constantin).
Bei der Pro7-Sat.1 Gruppe sind seine werbefinanzierten Sender (das
sogenannte Free-TV, freiempfängliches werbefinanziertes Fernsehen)
zusammengefasst, neben Pro7 und Sat.1 betrifft das auch den DSF. Darüber
hinaus verfügt Kirch über breitgefächerte Beteiligungen
auf dem Medienmarkt. Er hält 40% Aktienanteile an dem Springerkonzern,
welcher seinerseits zu 49% an Kirchs Sportrechtevermarktung ISPR beteiligt
ist. Für 3,4 Milliarden DM kaufte Kirch u.a. die Rechte an den Fußballweltmeisterschaften
2002 und 2006 (mit Option für 2010). Die Erstverwertung dieser Sportrechte
erfolgt über Premiere World, den dritten Pfeiler der Kirchgruppe:
KirchPayTV. In diesem Zusammenhang vertreibt er auch den Decoder D-Box
zur Entschlüsselung der Digitalprogramme. Mit Premiere World und
DF1 startete Kirch seinen zweiten Versuch, in Deutschland Abofernsehen
zu etablieren - Bei Premiere World gemeinsam mit Bertelsmann- und dem
französischen Havaskonzern, bei DF1 allein. Im Gegensatz zu einigen
anderen europäischen Ländern konnte sich dieses Abofernsehen
nicht etablieren. Die Anzahl der Abonnenten stagniert und die Einnahmen
stehen in keinen Verhältnis zu den Kosten die durch Abnahme-Versprechen
von TV-Produktionen und Übertragungsrechten entstanden sind. So bekommt
z.B. die DFL für Verkauf der Übertragungsrechte pro Saison 400
Millionen Euro. Pro Verein liegen die Grundeinnahmen bei ca.15 Millionen
Euro. Für kleinere Vereine sicherlich ein existenzieller Geldbetrag.
Und so geht die Angst um n der Bundesliga, dass eine Pleite des Kirchkonzerns
die halbe Bundesliga mit in den Konkurs nehmen könnte.
Doch nicht nur die in diesem Jahr an die Fifa zu zahlenden
68 Mio. Euro, sowie 767 Mio Euro an den Springer-Verlag für den Erwerb
des Pro7/Sat.1-Anteil lassen die Alarmglocken im Hause Kirch läuten.
Auch zahlreiche deutsche und ausländische Banken, die Kirch über
5 Milliarden Euro Kredit gewährt haben und der australische Medienmogul
Murdoch pochen auf ihren Anteil. Murdoch holte sich Kirch 1999 ins PremiereWorldBoot,
zu einer Anteilsübernahme von 22%. Am Kerngeschäft KirchMedia
hält Murdoch zur Zeit nur 2,5%, was sich ändern könnte.
Denn im Oktober diesen Jahres könnte Murdoch bei Premiere aussteigen
und sein Geld samt Zinsen, alles in allem 2000 Mio. Euro mitnehmen. Doch
wo nichts ist, kann nichts zurückgezahlt werden und machen Gerüchte,
Warnungen und Angst die Runde, Murdoch könnte Mehrheitseigner an
PremiereWorld oder gar am Herzstück KirchMedia werden.
Markt und Moral
Aber bis zur Pleite Kirchs wird es wohl nicht kommen, wie, ob durch Verkauf
der Formel1-Rechte oder wie aktuell diskutiert durch Abstoßen des
DSF, ist derzeit nur Spekulation. Zu viel Geld der nationalen Banken steht
auf dem Spiel, da Kirch mit der Rückzahlung einiger Kredite arg in
Rückstand liegt. Einig sind sich Politiker und deutsche Wirtschaft
der der Suche nach einer nationalen Lösung. Die wird
hauptsächlich damit begründet, dass die völlige Pleite
Kirchs eine totale Neuordnung der deutschen Medienindustrie zu folge hätte.
Hauptsächlich gemeint ist damit der drohende Einfluss Murdochs, der
zwecks Klarstellung der Interessenlage schon zum informellen Kanzlergespräch
geladen wurde. So schreibt der Spiegel 9/2/2 von einer Horrorvorstellung
für nahezu alle Medienmanager in Deutschland , Murdoch sei
ein Mann, der brutale Preiskriege anzettelt und die
politische Agenda bestimmen und den Wahlausgang beeinflussen könne.
Dann doch lieber die seriöse, unabhängige Berichterstattung
der Springerblätter, die 60% aller Boulevard Zeitungen ausmachen?
Wohl kaum. Sicherlich ist Murdoch tief konservativer Gesinnung aber das
ist auch Kirch, der schon 1998 auf der Suche nach potentiellen Geldgebern
auch mit Silvio Berlusconi, Gründer der rechtsextremen Bewegung Forza
Italia und bis vor kurzem Präsident des AC Milan. Berlusconis
Medienfirma Finifest besitzt ebenfalls Anteile an KirchPayTV. Kirch oder
Murdoch, ist gehüpft wie gesprungen, es geht um nicht mehr und nicht
weniger als die Aufteilung der Märkte. Darüber können auch
Klischees von der moralischen Verpflichtung der Medien und Murdoch als
Schande für den Journalismus( Spiegel 7/2/2) nicht hinwegtäuschen.
Murdochs Gesetz
Dabei gibt es einen ganz anderen Grund, sich vor Murdoch zu fürchten:
seine realistischen Vorstellungen bezüglich völlig überhöhter
Spielergehälter. Sollte er Premiere übernehmen, wird er neue
Preise diktieren. Gerade erst hat er verkündet, dass im Fußball
zuviel gezahlt wird. Womit er marktwirtschaftlich absolut recht hat. Immer
mehr haben die Bundesligavereine gefordert und bekommen. Jetzt droht der
aufgeblähte Markt zu platzen. Diese Entwicklung ist in weiten Teilen
des Profisports zu bemerken. 1999 hat die ATP mit dem Rechteverwerter
ISL einen Vertrag geschlossen, der nach Expertenmeinungen von vornherein
zum Scheitern verurteilt war. Und so geschah es dann auch: die 1,2 Milliarden
Dollar für 10 Jahre waren durch die Sporteinnahmen nicht rezufinanzieren:
ISL ging Pleite. Nun wird darüber nachgedacht, den Tennisprofis rund
30% weniger Preisgeld zu zahlen. Gleiche Erkenntnis deutet sich jetzt
im Fußball an. In England macht Murdoch die neuen Preise, in Italien
wird erstmals eine Obergrenze für Gehälter gefordert und Kirchs
Premierechef Kofler hat angekündigt, künftig weniger Geld für
die Live Übertragungen der ersten Liga zu zahlen. Für die europäischen
Topvereine wird dies lediglich bedeuten, dass die Spieler ein oder zwei
Millionen weniger im Jahr verdienen. Finanzschwachere Vereine dagegen
könnten sich ohne die Fernsehgelder vor Existenzprobleme gestellt
sehen. Gerade scheint das die Zweite Bundesliga zu betreffen, die immerhin
20 % der Fernsehgelder aus dem Hause Kirch, derzeit 350 Millionen Euro
pro Saison erhält. Sollte die Kirchgruppe das verlustreiche DSF abstoßen,könnten
sich viele Zweitligisten nicht mehr finanzieren.
Die Resistenz der Fans
Die Vorstellung, dass nach einer möglichen Pleite Kirchs und mit
ihm des ganzen Bundesligazirkus Erstligafußball wieder im Free-
TV zu sehen sein wird, ist leider nur ein Traum. Fakt ist, dass bei den
Klubmanagern der Drang nach einer medien- und sponsorengerechten Vermarktung
des Fußballs vorherrscht. Wer bezahlt ist egal und bezahlen wird
ganz sicher immer jemand. Die größeren Einnahmen werden durch
Fernsehrechte und Werbung erzielt, immer weniger durch den Kartenvorverkauf.
Da scheint es auch nicht verwunderlich, dass sich die Entwicklung hin
zu reinen Sitzplatzstadien vollzieht. Begründet wird dies mit höherer
Sicherheit. Doch das ist nur die eine Seite der Medaille. Der Besuch eines
Fußballspiels als sozialer Moment zu erschwinglichen Preisen steht
eben nicht mehr im Vordergrund. Der Fan im Stadion soll nur noch seinen
Teil zur live Atmosphäre beitragen, um dem TV-Konsument das Gefühl
zu geben, auch wirklich dabei zu sein. Es zeigt sich einmal mehr, was
eigentlich schon vor PayTV allen klar gewesen sein sollte, dass Fußball
nicht um seiner selbst Willen gespielt, präsentiert und promotet
wird, sondern der Markt die Regeln vorgibt.
Aber glücklicherweise wissen wir ja mittlerweile alle, dass es kein
richtiges Leben im falschen gibt und der selbstauferlegte Verzicht auf
Bundesliga oder Championsleagespiele im TV weder Leo Kirch noch den Kapitalismus
in die Knie zwingt. Was bleibt, ist die Suche nach Alternativen zum Homeabend
vor der Glotze für viel Geld. Ein Blick nach Italien wo sich im Fußball-
und Mediengeschäft ähnliche Entwicklungen abzeichnen wie hierzulande,
soll Fernsehabo- resistenten Fans ein Lichtblick sein: Dort weigern sich
die Fans, die horrenden PayTV- Gebühren zu zahlen. Um ihren Lieblingsverein
zu sehen, gehen sie in die nächste Kaffee-Bar oder Kneipe oder organisieren
sich, was nicht allzu schwer ist, eine perfekt gefälschte Decoderkarte.
Was die schönste Alternative zum medial aufbereiteten Fernsehfußballwerbespektakel
ist, wissen aber immer noch all die, die ihr Geld am liebsten für
einen Stehplatz ausgeben.
lasse
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