König Fußball schwächelt
Die Auswirkungen der Kirch-Pleite auf das Geschäft mit dem runden
Leder
Es war das Paradebeispiel für die Vermarktung des Profifußballs.
Der Münchener Medienmogul Leo Kirch versuchte durch das Etikett
Fußball, sein Ziehkind den Abo-Sender Premiere fit zu machen
für die bundesdeutsche Fernsehlandschaft. Das diese Unternehmung
gescheitert ist, dass bewiesen die letzten Wochen. |
World of Insolvenz - Der Untergang des Kirch-Imperiums
Leo Kirch stand für eine der letzten Nachkriegskarrieren. Aus der
fränkischen Provinz stammend entwickelte er ein Talent für Handelsgeschäfte.
Anfangs verkaufte er Ferngläser made in GDR oder tauschte Socken
für jugoslawischen Slibowitz. Nach diesen ersten Gehversuchen in
der Geschäftswelt und einem BWL-Studium stieg er ins Filmhandelsgeschäft
ein. Er erwarb die Verwertungsrechte von Spielfilmen, die den TV-Sendeanstalten
gewinnbringend angeboten wurden. Die konservative Wende in der BRD (1982)
verhalf Helmut Kohl, ein enger Freund von Leo Kirch, an die Macht. Dieser
Umstand erleichterte den Aufbau der privaten TV-Sender, wie z.B. RTL und
SAT 1. Sie sollten einen Gegenpart zu den öffentlich-rechtlichen
TV-Sendern darstellen, welche oftmals als links-liberal verschrienen waren.
Auch diese engen Kontakte zu konservativen Politikern waren Garant dafür,
dass Leo Kirch als größter deutscher Medienmogul ins neue Jahrtausend
schritt. Im Jahre 2002 gehörten zum Konzern u.a. die TV-Sender Premiere,
SAT 1, Pro 7 und DSF, das Printmedium BILD, der Kirch Filmhandel und die
Sportvermarktungsfirma Kirch Sport, die u.a. die Rechte für die Formel
1 und die Bundesliga besaß.
Der Abo-Sender Premiere war das Lieblingsprojekt von Leo Kirch. Es verkörperte
die Zukunft des Fernsehens. Zig Kanäle bombardieren den Konsumenten
mit allen Bundesliga-Spielen (live), mit den neuesten Hollywood-Streifen
und mit allerlei Perspektiven aus dem Arbeitsleben des Michael Schumacher.
Dieser mediale Overkill fand jedoch nicht den nötigen Anklang, so
dass Premiere 4 Milliarden Euro Schulden anhäufte. Als dann schließlich
bekannt wurde, dass die Kirch-Gruppe Kredite zugesprochen bekam und die
dafür als Sicherheit notwendigen Vermögenswerte mehrfach deklarierte,
zerplatzte der Traum vom medialen Global Player.
Die Kirch-Gruppe ist zahlungsunfähig und geht den Weg, den schon
solch berühmte Zusammenschlüsse wie die glorreiche BSG Chemie
Leipzig gingen, nämlich den Weg der Insolvenz.
Kirch-Geld regierte die Fußballwelt
Spätestens seit den Neunziger Jahren wurde der Verkauf der TV-Fernsehrechte
zur wichtigsten Einnahmequelle der Vereine. Kosteten die TV-Rechte in
der Saison 1990/91 26 Mio. Euro so mussten für die Saison 2001/2002
schon 360 Mio. Euro berappt werden. Diese traumhaften Summen konnten nicht
mehr durch die bloße Werbung a la Ran refinanziert werden.
Im Gegenzug avancierten die TV-Einnahmen zum wichtigsten Standbein der
Erst- und Zweitligavereine. Der Etat des FC St. Pauli von 12 Mio. Euro
wurde zu 70 Prozent durch Fernsehgelder gedeckt.
Dieses System kollabierte durch den schleppenden Verkauf der Premiere-Abos.
Anfang Mai sollte die nächste Rate über 100 Mio. Euro von Kirch
an die Liga überwiesen werden. Die Profiklubs werden wohl nicht die
vertraglich festgelegte Summe in voller Höhe aus dem in Insolvenz
befindlichen Kirchunternehmen erhalten.
Damit stehen die Vereine vor einer prekären Situation. Die Spieler,
die seit Jahren mit horrenden Gehältern bei der Stange gehalten werden,
könnten bei Nichtzahlung des Gehaltes den Verein einfach verlassen.
In der zweiten Liga würden alle Vereine ohne das Kirchgeld die Lizenz
für die nächste Spielzeit nicht erhalten, in der ersten Liga
können sich nur die Größen des Geschäfts behaupten.
Das ließ selbst die große Politik aufhorchen. Bundeskanzler
Schroeder schaltete sich in die Debatte ein und stellte Bundesdarlehen
in Aussicht. Das ging dann der Öffentlichkeit doch zu weit: Steuergelder
für Fußballmillionäre! Schroeder begrub seine populistischen
Pläne, scheinbar ist in der BRD doch nicht jeder Fußballfan.
Mittlerweile scheint sich nicht ganz unerwartet eine Lösung
gefunden zu haben. Die Deutsche Fußball-Liga (DFL), welche die Vereine
der ersten und zweiten Liga vertritt, möchte die TV-Rechte an einen
neuen Anbieter veräußern. Wer es auch immer sein wird, entweder
die öffentlich-rechtlichen Sender oder ein neuer Bertelsmann-Abo-Sender
(Tele 5), alte Fabelsummen werden nicht mehr gezahlt. Außerdem will
die DFL mit diversen Banken eine gemeinsame Holding gründen, die
die Geschäfte (Werbung, Fanartikel, Verkauf der Fernsehrechte, usw.)
der Liga durchführen.
Die Probleme in anderen europäischen Ligen
Das Mutterland des Fußballs, England, steuert in die größte
Krise seit Bestand des Profifußballs. Während die TV-Rechte
der Premier League an Rupert Murdochs Pay-TV-Kanal BSkyB gingen, wurden
die Rechte der 2., 3. und 4. Profiliga an ITV Digital verkauft. Diese
Gesellschaft erwarb die Fernsehrechte der nächsten drei Jahre für
475 Mio. Euro. Mittlerweile steht ITV Digital, das auf Grundlage des Pay-TV
die Unkosten decken wollte, vor der Pleite. Genau wie in der BRD befürchten
die Klubs den finanziellen Ruin und hoffen darauf, dass sich die wirtschaftliche
Situation ihres TV-Vertragspartner bessert.
In Spanien muss pro Spieltag mindestens eine Partie der Primera Division
frei empfangbar sein. Spiele von Real Madrid oder dem FC Barcelona können
nur verschlüsselt empfangen werden. Akute Anzeichen für finanzielle
Probleme des Fernsehens sind noch nicht in Sicht. Jedoch sind im Land
der Fußballspitzengehälter beispielsweise die Steuerschulden
ein gravierendes Manko. Das Finanzamt fordert allein von Real Madrid 36
Millionen Euro an Steuern. Weiterhin sind alle Klubs bis unters Dach verschuldet
und bangen darum, dass Lizenzierungsbestimmungen, wie sie in der Bundesliga
Pflicht sind, nicht von der UEFA angeordnet werden. Denn dann wären
fehlende TV-Gelder das kleinste Übel.
Die UEFA-Halbfinal-Partie zwischen Borussia Dortmund und dem AC Mailand
wurde in Italien erst gar nicht übertragen. Der Präsident des
staatlichen Senders RAI Antonio Baldassare urteilte: der Fußball
ist einfach zu teuer geworden. Müßig zu erwähnen,
dass auch in bella Italia zahlreiche Klubs Pleite sind.
Die Probleme der Bundesliga sind kein Einzelfall, sondern finden Parallelen
in allen anderen Profiligen des Kontinents. Die fetten Jahre des Fußballs
sind vorbei, die Grenzen der Wirtschaftlichkeit mehr als ausgelotet. Nach
dem Bosman-Urteil (1995) und dem daraus folgenden Wegfall der Ablösezahlungen
versuchten die Klubs die Spieler durch hohe Gehälter zu binden. Das
notwendige Geld kam durch das Fernsehen, das mittels Pay-TV den Kunden
zur Kasse bat. Diese Blase ist in der BRD zerplatzt und wird wahrscheinlich
auch in anderen europäischen Ligen noch lange Gesichter verursachen.
Wie weiter im Milliardengeschäft Bundesliga
Natürlich ist die Vermarktung der Ware Fußball nicht über
Nacht unnütz geworden. Mit dem runden Leder lässt sich noch
immer erquicklich Geld verdienen. Nur Geld im Stile eines Kirchs wird
wohl mittelfristig nicht mehr fließen. Da Profiklubs wirtschaftliche
Unternehmen sind, müssen auch sie bei fehlenden Einnahmen die Ausgaben
senken. Das dürfte in erster Linie die Spieler betreffen, die sich
in den letzten Wochen vermehrt in der Presse äußern mussten.
Dabei signalisierten einige Profis, dass sie auf einen Teil ihres Gehaltes
verzichten würden.
Aber allein auf den Schultern der Spieler lässt sich die Krise nicht
abwenden. Tiefgreifende Reformen wären notwendig. Wo diese enden
könnten verdeutlich ein Blick über den Deich. In den USA sind
Sportarten wie Football und Basketball ein Teil des Showbiz. Die Ligen
sind reine Wirtschaftsunternehmen, die Vereine bloße wirtschaftliche
Partner. Auf- und Abstiege gibt es nicht und geregelte Spieler-Transfers
sollen die sportliche Wettbewerbsfähigkeit der Teams sicherstellen.
Ein solches System der Vermarktung degradiert den Fan gänzlich zum
bloßen Konsumenten.
Die Liga ist in Bewegung geraten und mensch wird sehen wohin die Reise
geht.
maso
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