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Stern Roter Stern
RSL Zweite Herren vs. FC BW Leipzig II  2:1
30.3.2019

Fortunas Apéritiv
Die, die am Wochenende wie immer nichts zu tun haben – ein Beamter und Fussballnarr Lauer – erzählten schon die ganze Woche vom „total überzeugenden“ 2:0 Auftritt von Blau-Weiß-Zwei gegen Liga-Primus LSC, den sie Sonntags zuvor anschauten, um danach ambitioniert wie Kinder nach Unartigkeiten ihre Langeweile als Scouting zu verkaufen und sich über die Möchtegern-Derby-Stimmung in Schleußig lustig zu machen; gewiss ohne zu bemerken, dass doch sie jene Deppen waren, die als einzige dem Unsinn beiwohnten. Doch statt sich dem Muffensausen der Führungsetage anzuschließen und dem Kampfbahn-Trauma Wahren gerecht zu werden, traf ich mit leichter Verspätung in Dölitz auf ein Team, das den Eindruck erweckte, aus dem Urlaub zu kommen. Vom Koehn kennt man's ja: tiefenentspannt wie Leiste nach 'na Prügelei begegnet einem das Lächeln eines gewitzten Helden. Aber der Rest? Bilal und Mo schäkern vor sich hin wie Teenies mit Popcorn, der Gehle frisch aus‘m Solarium damit beschäftigt Brandblasen zum Platzen zu bringen, Els im Kiffkoma stöhnt irgendwo, Jason klassisch, mit Hollywood-Attitüde und smartem Anschein, Lion, dem seine verschlafene Mähne strähnchenweise wie verlorene Narzissen zu Kopfe stehen, ein Harald, der Spucke spart, Winkel, dessen Kopf heller strahlt als die Sonne selbst und natürlich Heino, auf dessen Lippen alle gaffen, der tollkühn erzählt von irgendeinem Erfolg gegen Blau-Weiß vor dreißig Jahren und vielleicht war es doch nur ein toller Pass, den niemand als er so zu spielen vermag. Ja, ohne nun all die hübschen Kerlchen und Lauflümmelchen beim Namen zu nennen, die sich hier versammelten um gegen einen Ball zu treten, ohne groß zu erwähnen, dass Landstreicher-Hannes aus der Ersten abgeschoben, auch mit am Start war, bleibt der Eindruck in mir zurück, alle, denen ich auf diesem Hof eines Autoreifen-Service die Hand zum Gruß reichte, trugen jenes verzückte Schmunzeln zur Schau, mit dem sich Verliebte gegenseitig ihre Liebe vergewissern.
Und damit ich nicht nur diesem wunderbaren Liebeshaufen genüge tu, sondern wie je der Wahrheit verpflichtet diesen Bericht vollständig begreife: als ich unsren jungen, ach so geschniegelten Trainer aufsuchte, um auch ihm meinen grüßenden Respekt mit Handschlag zu zollen, entdeckte ich ihn in der Kabine, bereits versessen in die Vorbereitung, ja „im Tunnel“ wie der Sportjargon es nennen würde. Seine zitternde Hand erinnerte mich an einen Aal und die Grußworte – da spätestens überkam mich das Mitleid – begleitete ein fast unmerkliches und doch von Lider bis Glieder reichendes Bibbern. Dass ein geplatzter Reifen das Eintreffen des besten Torwarts beim Stern – „Hinder greifen tu i ni“ – und der sich in seiner Gewalt befindlichen grünen Jerseys verzögerte, bereitete Nervenbündel Lauer die letzte Prüfung. Aber er kam, dieser gottgleiche Fliegenfänger, die Adonisfigur vom Wagenplatz, unser Rückhalt Jons.
Doch auch wenn Matze uns so wunderbare Angriffsflächen für Belustigungen schenkt und er so sehr gut versteht, den Fokus für die markante, die dem Roten Stern ins Mark eingeschriebene Ironie auf sich zu ziehen, tut er, zumindest laut dem Spieler, der in der letztjährigen Aufstiegssaison der Zwoten für immer eine bessere Torquote als er selbst behalten wird, gut daran, sich in seinem Tun nicht beirren zu lassen. Denn auch heute war seine Analyse vom gegenerischen 4-3-3 gut. Das Zentrum halten sie kompakt und auf Außen bieten sich Räume. Keine Ahnung, ob das dann tatsächlich so war. Aber ich glaube schon deshalb daran, um weiterhin eines der Schafe bleiben zu dürfen, das brav dem Taktikhund gehorchend über die Wiese hoppelt.
Das Spiel wiederum bot was es versprach, denn Blau-Weiß nagelt direkt eine Ecke an den Pfosten! Ach herje! Doch da sich für mich mit Spielanpfiff die Erinnerungen in irgendwas-war-da-Eindrücke vernebeln, sodass dieses Pfostentüpfelchen der Gäste gar nicht mehr meinem eigenen Gedächtnis entspringt, darf nicht verminderte Lesekompetenz als Grund gesucht werden, wenn sich hier das Spielgeschehen wie dahergestottert wiedergibt. Denn als objektive Zeugin der Ereignisse im Sportpark bleibt mir nur die Übereinstimmung zweier Ticker, die statt zu popeln und sich genüsslich einer durchaus sinnvollen Nasenreinigung zu unterziehen, digitale Telefontasten bedienten und den Wahnsinn Leipziger Amateurfussballs in die unbegreiflichen Tiefen des Worldwideweb verewigten. Sinnlööös!
Tatsächlich war es aber nicht das blauweiße, das hier das gefährlichere Team war. Ein Freistoß zentral vorm Tor durft ich mir nach kurzer Absprache mit zwei Möchtegernfreistoßtüftlern nehmen. Und da die Untertreibungssucht von Mr. Quiet-Gehle überregiönal bekannt ist, glauben wir hier dem Ticker des LSC-Trainers, der „also eins ist fakt..., das hat nichts mit dem BW von voriger Woche zu tun...“ jämmerlich daherkommt in dem Versuch, die eigene Leistung schön zu reden. Ein Freistoß also – 30 Meter vorm Tor, der flach die Mauer durchsiebt und links das Tor verfehlt, statt wie geplant volle Kanne an der Mauer vorbei, Pamm! ins Eck. Naja, Moritz! Was aber beide Ticker wie die Lügenpresse verschweigen, ist der wunderbare Versuch unsres Kapitäns der Herzen 'König Koehn' volley einen Befreiungsschlag der Gäste ins Netz zu knallen. Er verfehlte nur knapp das Tor des Jahres! Aber dann. Wieder traumhafte Balleroberung des Strategen am Sechzehner von Blauweiß – „Pirlo der Unterklassen!“ rufen ihn Wohlgesinnte und er soll sie nicht enttäuschen. Keiner schafft es mit dieser Lässigkeit giftig wie Gattuso und genial wie Xavi zugleich zu sein. Zack! hat er den Ball; kurzer Schulterblick in den Sechzehner, den ich antizipiere wie Heino Eigenlob, mit dem Wissen um des Patricks Schlappen: Chip! kommt der Ball perfekt in den Fünfer, Annahme rechter Außenriss, linke Pieke am Hüter vorbei. Tor! Die Selbstherrlichkeit dieser Beschreibung wird nur dadurch getopt, dass beim umarmenden Dank für diesen Wahnsinnspass, ich den Heino hinten auf die Knie fallen seh, ungläubig und wie betend die Arme gen Himmel gereckt. Sowas hat er in seiner langen Karriere noch nicht gesehen. Später berichten Menschen aus seinem engeren Umfeld, eine Träne lief ihm dabei die Wange entlang.
Elz holt sich die Kugel auf links. Unnachahmlich lässt er eins, zwei Spieler aussteigen, zieht weiter in den Strafraum und ab! Ein schöner Lauf des gut aufgelegten Jungspunts wurde leider im letzten Moment noch geblockt und wie ich nun eingestehen muss, das Fast-Tor-des-Jahres bekam in Minute 44' doch noch seinen Tickerplatz, sowie das spannende Spiel mit Jons Traumparade und kahnscher Flugeinlage noch ein Highlight für alle Actionfreunde. Auch den Elfer hätte es für grün gegeben, wenn der Amateurfussball nicht chronisch unterbezahlt – „FUSSBALLMAFIA DFB! FUSSBALLMAFIA DFB! FUSSBALLMAFIA DFB!“ – und endlich auch in der Stadtklasse der Videoschietsrichter einzug erhielte!
Sei's drum.
Zur Hälfte wechselt Schlauer selbstbewusst wie schon im Pokal gegen Chemie II drei Sterne ein und aus und eigentlich gehört das Spiel nun entschieden: „46' – keine 10 sekunden gespielt und fast das 2:0“; „47' – und gleich noch ne chance für rsl..., knapp vorbei“; „49' – geiler ball von halblinks in 16er von BW..., es scheitert nur beim schuss der 16 von rsl.“ Es ist hier einmal mehr festzuhalten, wie erstaunlich es ist, nach drei Wechsel in der Halbzeit, mit dieser Power aus der Kabine zu kommen. Die Chancen jedoch, die wir in der zweiten Hälfte vergaben, lassen sich nicht nur kaum wiedergeben, sie schmerzen peinlich wie die Momente, wo bei einem schönen Date der Kuss verpasst wurde. Dass aber Bilal nicht nur Everybody's Darling, sondern auch ein Bilderbuchknipser ist, bewies er abermals mit seinem siebten Saisontreffer. Yasin, der sichtlich aufblühte in Hälfte zwei und selbst nah an seinem und unsrem zweiten Tor war, schwanzt die Abwehr – was auch immer das ist – und setzt Bilal von rechts in Szene, der in seiner ganz eigenen Manier den Ball ohne große Anstrengungen seines Körpers tanzen lässt und eiskalt, flach wie überlegt, links unten einschiebt. Bravo!
Ja und nun, um seine abermaligen Ticker-Bemühungen zu honorieren, weil seine so trockene, glänzend liebevolle Art ebenso unterhaltsam wie bereichernd ist und seine TÜV-geprüften Schienbeinschoner den Schweiß der Teamkollegen aufsaugen dürfen, überlasse ich ihm, dem Neuzugang, dem heimlichen Star der Stars, dem dunkelroten Gehle das Wort zum Treffer der Schleußiger:
„Dummes Tor von denen. 2:1“
„Und schon wieder kein Wort zur Abwehr, das war klar!“ Doch: Harry, Sebastian, Matthias, Maggi, Löwe, ihr wart klasse. Und an den Gegentreffer habe ich so viele Erinnerungen wie die Ticker. Gar keine. Ich weiß nur wie Jonsi flog und flog und der Ball dann doch im Netz zappelte. Später wird er unter der Dusche gestehen: „Ich kann so gut und viel halten wie ich will. Am Ende bleibt mir nur das Tor im Kopf. Der Zwischenschritt fehlte, sonst hätt ich ihn gehabt.“ Hach Jonsi! Mit so alten Knackern als IVs! Was willst du da machen?
Ende
Das Gute: die Guten gewannen. Und selbst ein Verteidiger des fairen Teams der Zebras musste trotz aller Enttäuschung eingestehen: „Ja, das hat Bock gemacht heute.“ All die, die an diesem frühlingshaften Zaubertag aus hoffnungsblinder Naivität in Schleußig statt in Dölitz Fussball schauten, tun mir Leid. Und alle, die bei uns waren oder dabei, aber nicht aktiv, die wie Corni, Felix oder Martin mit dummen Kommentaren von der Tribüne supporteten, wie Danny mal wieder zu Besuch waren und diesmal nicht neue Menschen sondern neue Tattoos zur Schau trugen oder solche, die sich auf Klimacamp-Treffen andere Identitäten anlegen, die sich wie Manu immer einbringen, um von den Mistvereinen abzulenken, derer sie anhängen oder andere, die vier Tore im ersten Spiel erzielen und sagen ciao amigos, ich hau rein, die wie Henne ihren steinalten Körper fithalten, um nochmal aufzusteigen oder wie das Borchvieh nur kommen in der Hoffnung, später Sprüche zu kloppen, Leute, die ständig verreisen wie Nils oder irgendwo in den Tiefen der neuen Bundesländer ihre Kinder besuchen, die, die aufgrund der Lohnarbeit nicht mit uns sein können oder die dieses Mal dritte oder vierte spielten, damit andere bei uns spielen konnten, die verletzten Gihon, Jojo und Technochris und ja, auch Norman S. aus A., Ehren-Wasauchimmer des FVSL:
„Seid wie ein Schwarm kleiner Fischis! Denn nur wenn ihr zusammenhaltet und wie ein einziger großer Organismus funktioniert, indem jeder seinen Platz einnimmt und mitwirkt am Ganzen, gewinnt ihr auch gegen die ganz großen Fische der Liga.“
Fortuna kann kommen.
Euer Mori

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