Teams
Chronik
Dates
Fans
Stern Roter Stern
RSL Zweite Herren vs. FC BW Leipzig II  3:1
22.2.2020

22.02.2020: Daten wie diese verbindet man zumeist mit Ehepaaren, die – mit Gottes Hilfe – den Drang verspüren, ihre Kreativität und Extravaganz nicht nur in einen Ring, sondern auch in ein Kalenderdatum zu gießen.
Fernab von solch kleinbürgerlichen Individualitätsritualen sollte sich an diesem Tag ein Ereignis ungleich größeren Ausmaßes im Dölitzer Sportpark zutragen: Rückrundenauftakt der Zweiten und es gastiert der Liga-Primus.
Doch so sakral und feierlich der Rahmen für das Spiel, so derangiert trudelten die Sterne in Dölitz ein und lungerten läpsch vor der Kabine herum.
Die Spielgefährten aus dem Leipziger Westen wussten hingegen mit einem dem Tag angemessenen, adretten Auftreten zu glänzen:
Traumhafte Präsentationsjacken in Azurblau, die sich an die definierten Spitzenreiterkörper schmiegten. Einige Anwesende, die im letzten Canetti-Seminar zu Masse und Macht gut aufgepasst hatten, konnten die betörende Wirkung dieses uniformen Auftretens nicht gänzlich in Abrede stellen.
Ganz anders Ex-Profi Mattmüller (trotz frisurlicher Ähnlichkeiten nicht mit der linken Elendsgestalt Wertmüller zu verwechseln): Zwar mokierte er sich über Freefight-Felix‘ Rucksack, der nur mit einer Punx-not-Dead-Gedächtnis-Sicherheitsnadel zusammengehalten wurde, doch auch für die blau-weißen Semi-Profis hatte der einstige Steuermann der Berliner Hansa-Kogge nur ein müdes Lächeln übrig. Und just in dem Moment als das argwöhnische Begutachten aus der Distanz („Oh, die sind aber groß!“, „So hübsch finde ich die Präsentationsjacke nun nicht“ „Ist das dieser Banse?“) in die finale Phase einging, wurden die Teamgrenzen durchbrochen.
Der Bomber der Kresse-Kampfbahn, Jonas A., konnte einfach nicht aus seiner juristischen Haut und steuerte zielsicher seinen Anwaltskollegen Nick an. Peinlich berührt von Albrechts übergriffiger Umarmung wusste sich RA Homann nur noch mit einem Gag zu helfen, um die Situation zu entkrampfen: Kennste den schon, raunte er dem letztjährigen Stadtklasse-Torjäger zu: „Treffen sich zwei Rechtsanwälte. Fragt der eine den anderen: "Na, wie gehts?" Antwortet der andere: "Schlecht, ich kann nicht klagen."“ Beide prusteten los, lachten schallend und klopften sich auf die Schenkel. Alle Nicht-Juristen blickten derweil betreten zu Boden und dann war es geschafft: Der Topstürmer der Blau-Weißen entschwand in die Gästekabine und auch die Sterne begannen sich in ihren heiligen 25 Quadratmetern einzufinden.
Kurz durchgezählt, doch ernüchtert musste konstatiert werden: Auch um fünf nach eins nicht vollzählig. Während Spieler Faraj die Wut des Trainers mit seinem Lächeln und einem ganz leisen „Sorry“ bilalisierte, funkte Winterneuzugang Simeon SOS. Er sei zur Abkürzung auf einen Feldweg eingebogen und wisse nicht genau, wo er sich nun befände. Wo auch immer er sich aufhielt, einige Minuten später war der Mann mit einem Bart, der sportleppsche Herzen höher schlagen lässt, ebenfalls vor Ort und endlich konnte es beginnen.
Doch die Professionalität an diesem Tag ließ zu wünschen übrig. Mitten in einer zigfach geübten, den Spannungsbogen fast zum zerbersten bringenden Kunstpause, sackte Harry Neureuther in sich zusammen und ein Klangteppich aus Stöhnen und Würgen legte sich über die Stille des Raumes. Noch bevor gänzlich klar war, was die Abfahrtslegende aufschrecken ließ, schaltete diese in den harryschen Selbstkritikmodus, der stets Dobbyeske Züge aufweist. So sehr darauf konzentriert die Schneeschuhe von den Fußballtretern zu unterscheiden, hatte Steck-Mich-Benny zwei linke Schuhe in die Tasche geworfen. Untröstlich und mit sich selbst und der Welt im Unreinen, riss er beim geliehenen Querfurter Ersatzschuh prompt den Schnürsenkel ab und war nun endgültig den Tränen nahe. Über tausende Kilometer Entfernung und Kontinentalgrenzen hinweg konnte man ein mahnendes „Mensch Harald!“ von Kommunikationscoach Moritz Zimber vernehmen, das seine Wirkung nicht verfehlte. Das nächste Paar - kick-and-rush erprobtes Schuhwerk von Rowan - ummantelte Harrys Füße akkurat und ließ ihn in gewohnter Manier die Außenbahn entlang mähen. Und direkt gehörte ihm die erste Szene. Crazy K. schlackerte zum Rhythmus im Kopf umherschwirrender Italo-Disco-Hits ein, zwei anlaufende Blaue aus und verlagerte das Spielgerät zielsicher zum rechten Läufer. Harry verkantete, wie frisch gelernt, den Fuß und prügelte das Leder gegen den eigenen, noch immer herunterhängenden Kopf. Dieser schoss in die Höhe, der Ball lag wieder am Fuß und der Turbo wurde gezündet.
Was für ein Auftakt!
Derlei technische Kabinettstückchen waren in der Folge jedoch eher Mangelware. Taktisch war’s hingegen ganz ansprechend. Auf beiden Seiten war eine Grundordnung zu erkennen, was aus Trainersicht völlig neue Möglichkeiten der Einflussnahme entstehen ließ. So war Lackhaars Lieblingsphrase „In die Ordnung!“ angenehm selten zu hören. Vielmehr brütete dieser über zu bespielenden Halbräumen und sinnierte über andere pseudowissenschaftliche Fußballbegriffe, mit denen beim studentischen Kabinenpublikum auf billigste Weise Autorität ergaunert werden kann. Lord Helm beschrieb unterdessen das Geschehen auf dem Platz mit Worthülsen die vermutlich dem Theklaer fussball.de-Fan-Ticker entliehen waren. „Abtastphase“ hieß es da und das Blau-Weiß „ungefährlich vors Tor“ käme. Doch mitten in diesen Wortbreit schepperte Masi ein Ausrufezeichen in Form eines Eckballs direkt an das Gebälk. Und auch die folgenden Ecken – von Mario Siegel stets in Würdigung seins Thekenidols mit Hut ausgeführt – verursachten Gefahr. Blau-Weiß machte immer wieder auf sich aufmerksam, wenn Jonas A. in der gegnerischen Hälfte auf die Suche nach rechtsfreien Räumen ging. Doch mit Law-And-Order Nick sollte es diese am heutigen Tag nicht geben.
Hätte Conny nicht die Hände voller Salzstangen gehabt, hätte er wohl in sein Smartphone gehackt, dass das Spiel so dahinplätscherte.
Ob solcher Beschäftigungslosigkeit hatte Torwart-Manu derart intensiv sein eigenes hipsteriges Nineties-Trikot angestarrt, dass die psychedelische Wirkung der neonfarbenen Muster das Hirn des Hüters benebelten, wie dies sonst nur der Genuss einiger Cuba-Libre zu schaffen vermag.
Und in diesem Rauschzustand suchte er Hilfe bei Freefight und spielt eine Eröffnung genau ins Zentrum. Doch drei auf einmal sind auch für Felix Magomedov zu viel und so lässt er Ortis Pass einfach wieder klatschen.
Und zwar richtig, so, dass es einen umscheppert, so klatscht er das Ding per Low Kick weg. Damit hat Manu „Ich schalte im Rausch dann einfach ab“ Ortlepp nicht gerechnet und wird von dem Angriff völlig überrascht. Unter Applaus der Wessis von Blau-Weiß findet der Ball tatsächlich den Weg in die Maschen. Henne Meißner reibt sich vor hämischer Freude die Backen, Felix sinkt zu Boden, Sportlepp schaltet wieder ein – 0:1. Blöd.
Schön hingegen ist die Reaktion der Sterne auf dem Feld. Aufmunternde Worte für den K.O. gegangenen Freefighter, ein zwei Plattitüden, dass man ja gut drin sei und einfach weitermachen müssen und schon berappelt sich das Team wieder.
Und kurz vor der Pause ist es dann so weit. D. Brüning machte seinem Ruf als Vertreter des Zentrums alle Ehre, und verschaffte seiner Grätsche im Mittelfeld qua Notstandsgesetz Legitimität. Der Schiedsrichter Paul v. H. winkt das durch, der arbeitsame Linksaußen der Gäste fällt zu Boden und auf den Weg machte sich Marinekapitän Julius. Ein unfaires Rennen – Schnellboot gegen Zweimaster.
Popeye Mattmüller gewinnt Meter für Meter, ist vorbei und lässt den Ball Backbord ins linke Eck driften. 1:1. Schön!
Im Anschluss vermeldet Conrad „Halbzeit“. Italo-Kris verlangt in der Pause etwas aufgeregt nach mathematischen Formeln zur Passwegberechnung im eigenen Aufbauspiel, doch die wohlige Duftwolke aus Winkels Finalgontopf lässt Crazys angestrengte Gesichtsmuskeln entspannen. Diesen Moment der Ruhe nutzt Merta Max um nochmal einen kurzen Blick aufs Handy zu werfen. Ja wirklich, Sergio Ramos lächelt ihn da immer noch an. Mit dieser Motivationshilfe wird in Halbzeit Zwei jeder Gegenspieler abgekocht und Julius‘ Zweikampfhinweise („Gib ihm richtig!“) verlieren ihre Notwendigkeit. Auch spielerisch sind zwei, drei ansehnliche Aktionen dabei. Der Ticker-Bot spuckt „Wir werden aktiver“ aus.
Höhepunkt dieser Aktivitätsphase ist eine Kontersituation an dessen Ende ein eingesprungener Rehabilitationsversuch von Felix steht. Aber der Ball geht drüber. Weiter 1:1. Bitter. Doch gute Freunde kann bekanntlich niemand trennen und so nimmt sich Super Masi der Sache an und zaubert einen Traumpass aus dem Basler-Füßchen. Für so einen Geniestreich gibt’s ein Vodka-Lemon im Doppelpass gratis. Der Rest ist Formsache. Der Seebär in vorderster Linie pflückt den Ball aus der Luft, spannt den spinatgestärken Oberkörper an, der Gegner sinkt auf den Dölitzer Grund, der lederne Torpedo wird auf die Reise geschickt.
Bum! Treffer versenkt! 2:1! Und prompt werden die Blau-Weißen ungehalten.
Als Starstürmer Albrecht, soeben von Sergio Merta abgeräumt, zum wiederholten Mal reklamierender Absicht das Wort gegen den Unparteiischen erhebt, schaltet sich Zunftgenosse Homann ein und gibt dem Kollegen spitzzüngig mit auf den Weg: „Woran erkennt man, dass ein Anwalt lügt? Seine Lippen bewegen sich.“
Von diesem KaLauer sollte sich der Blondschopf den Rest des Spiels nicht mehr erholen. Einzig Einwechselspieler und Hinspielschreck Ali Reza Mohammadi war auf Seiten der Gäste noch heiß und schnell, wie Bernd Knauer es sagen würde.
Statt diesen ernsthaft zu verfolgen, rief Martin Basler ihm nur hinterher, dass er aufm Rückweg Kippen mitbringen solle und Wortakrobat Winkel grübelte bereits darüber, welche anspruchslose Alliteration der maschinelle Konkurrent von Fussball.de dieses Mal als Schlagzeile generieren würde. Einzig Holzfäller Simeon nutzte die Chance, sich nach seiner Einwechslung direkt in die Geschichtsbücher der Stadtklasse einzutragen. Gelb, vier Minuten nach Betreten des Platzes. Nicht schlecht. Im Nachgang taute auch Käptn Iglo nochmal richtig auf und brachte etwas Feuer inklusive Rudelbildung in die Situation.
Ergebnis: Ebenfalls Gelb für den Doppelpacker und die Erkenntnis, dass eine Partnerschaft mit Zimbo das Potenzial birgt, den Stern bei allen Schiedsrichtern so richtig in Verruf zu bringen. Traumhaft!
Der Schlusspunkt gehörte dann den Wechslern. Zwei Minuten vor Ende startet Yasin in den 16er, bekommt den Ball serviert, bugsierte ihn zu Bilal und dieser schiebt lässig ein. Felix fällt ein Stein vom Herzen, Jons jubiliert digital und auch Leiste – aufgrund des 61ten Jahrstages eines großen Grubenunglücks in Zwickau sowieso im Freudentaumel – herzt Ted, Henne und Sky. Was für ein Bild. Was für ein Spiel. Was für ein Ende. Drei Punkte für die ewige Stadtklassentabelle im Netz, der Kurs auf die Sachsentherme ist gesetzt.
Kann so weitergehen.

www.roter-stern-leipzig.de / Datenschutz/Impressum/Kontakt