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SV West 03 vs. RSL Zweite Herren  2:0
28.8.2020 Friesenstraße 14

West 03 vs RSL II
Freitag 18 Uhr MEZ. Das Abendspiel, ergo: das Topspiel des Tages. Wenn nicht doch irgendwann der Durchmarsch in die Bundesliga gelingt, wie bei den Kollegen von RB (dem zweitpopulärsten Fußballverein in Leipzig), dann wird es für die Kicker vom Stern wohl das erste und letzte Spiel dieser Art sein.
Der Freitagabend bietet ja schließlich noch andere Unterhaltungsmöglichkeiten, oder?
Da diese jedoch aufgrund des Corona-Virus relativ begrenzt sind, entscheide ich mich trotz verletzungsbedingter Spielunfähigkeit am Spektakel teilzunehmen. Ob diese Entscheidung nun daher rührt, dass ich eine gewisse Grundsympathie für meine Teamkameraden hege, oder dem Umstand geschuldet ist, dass ein unglücklicher chinesischer Bruder zu Anfang des Jahres an der lokalen Fleischtheke den falschen Fledermaus-Snack genossen hat – man weiß es nicht. Wäre auf jeden Fall ein Butterfly-Effekt aus dem Lehrbuch.
Aber zurück zum Spiel, zurück in die Sportstätte des SV West 03: Das Bier hier ist günstig (1.50 Euro, leider nicht kalt), das Wetter ist lau und unser Coach heißt Lauer (LOL). „Unterklassenfußball, du hast mir gefehlt!“, konstatiere ich für mich selbst, während ich das Warmmachen, die obligatorische Trainer-Ansprache vor dem Anstoß sowie den Anstoß selbst und die ersten 15 Minuten des Spiels verpasse.
Hier meine persönliche Vorstellung davon, wie sie gelaufen sein KÖNNTEN:
Wir spielen das berüchtigte Vier-Drei-Drei und zwingen den Gegner bereits früh zu Fehlern im eigenen Spielaufbau. Offensiv werden geniale Steil-Klatsch-Steil Kombinationen zum Besten gegeben, die nicht nur die Pumpe von Trainer Lauer, sondern auch das Fußballherz der ca. 60 schaulustigen Schlachtenbummler höherschlagen lassen. Es wird überlaufen, hinterlaufen, gekreuzt und „gesteckt“. Das Signal „STECK!!!“ ist ohnehin öfter zu hören als eine Mark Forster Single auf MDR Jump.
Geil! Was für eine Anfangsphase. Zur Halbzeit steht es dann leider trotzdem noch 0:0, obwohl die ein oder andere Torchance durchaus vorhanden war. Ein Beispiel: Schneller Aufbau aus der eigenen Hälfte heraus, das Mittelfeld der Hausherren wird überspielt und auch die Abwehr sieht sich bereits gänzlich ausmanövriert durch den kurzen Antritt von Stürmer Zimbo und Flügelmann Justin. Dann werden sich die beiden am gegnerischen Strafraumrand allerdings nicht einig, wer das Führungstor denn nun erzielen darf und entscheiden sich letztlich für die wahrscheinlich solidarischste von allen zur Verfügung stehenden Optionen – keiner. Die Stimmung auf der Reservebank ist trotzdem gut. Die interne Wettmafia der Zweiten Mannschaft hat komplett auf Sieg getippt und bisher ist man sich einig in dieser Hinsicht auch alles richtig gemacht zu haben. „Null zu Fünf für uns!“ sagt Manu zu mir, nachdem ich ihn frage, was er denn so getippt hat. Na klar, denke ich. Man kennt uns vor allem für unsere Kaltschnäuzigkeit beim Abschluss *hust*. Unsere zweite Nummer Eins sollte lieber die Finger von Sportwetten lassen. Ich pisse – sehr zur Freude der nah stehenden Fans – an den Zaun.
Wiederanpfiff. Wir haben gewechselt. Justin raus, Winkel rein. Abgekämpfter Jungspund mit wehendem Haupthaar gegen menschgewordene Spielerfahrung (ohne Haupthaar). Das und die Umstellung auf das alteingesessene Vier-Vier-Zwei sollen wohl etwas Stabilität ins eigene Aufbauspiel bringen, denke ich. Spricht alles für meinen Tipp (1:2), denke ich. Jetzt ruhig und besonnen bleiben, denke ich. ZACK! Einer der rar gesäten Angriffe der Sportfreunde aus dem Westen, der es tatsächlich mal bis in unseren Strafraum geschafft hat, wird von Crazy K durch ein unglücklich platziertes Bein auf nicht regelkonforme Art und Weise unterbrochen. Elfmeter, keine Diskussion. Nicht mal Einspruch von Genosse Zimbo, dem ansonsten immer freundlichen – wenngleich ungefragten – Ansprechpartner des Schiedsrichters. Scheiße. Jetzt liegt es an Jons die Null zu halten. Flachschuss in die rechte untere Ecke, Jons ist dran! Doch das Leder gleitet widerwillig über den Handschuh unseres Schlussmannes hinweg und landet beleidigt im Tornetz. Nicht mal der Ball scheint wirklich Bock auf eine Führung der Hausherren zu haben. Eins zu Null. Unverdient. Das Spiel wird zusehends ruppiger.
Es werden ein paar „Gelbe“ gezeigt. Besonders der gegnerische 10er, ein Hüne vor dem Herrn, meint es sehr ernst heute. Ich mag ihn nicht.
West steht so tief hinten drin wie das alkoholfreie Bier im Kühlschrank einer studentischen Männer-WG im ersten Semester. Wir suchen nach Lösungen, finden aber keine. Ein blöder Konter führt zum weiterhin unverdienten 2:0.
Mein Tipp ist futsch und auch die Laune auf der Reservebank schlägt langsam um. Wenigstens fliegt der 10er jetzt vom Platz! Gelb-Rot für den weißen Riesen.
Doch auch mit einem Spieler mehr auf dem Feld, kriegen wir das Ding nicht ins Tor. In der 75. Minute bewege ich mich hinter den Kasten der Gäste und fungiere von nun an als Ballfangnetz. Sehr zum Unbehagen der gegnerischen Wechselspieler, die sich hier warmlaufen und von mir scheiße angeglotzt werden. Noch mindestens vier Mal hole ich die Pille für den Hüter. Leider landet keiner unserer Schüsse innerhalb der Torpfosten. Die Einwechslung von Bilal kann die drohende Niederlage nicht mehr verhindern. Der Schiedsrichter beendet die Partie, ich trotte betrübt zurück zur Reservebank und klopfe mit meinen ebenso betrübten Teamkollegen ab. Während ich den Schmerz im noch immer nicht kalt gewordenen Bier des Vereinsheims zu ersaufen suche, fällt mir ein, dass ich ja dämlicherweise und absolut unökologisch mit dem Auto angereist bin.
Was würde Greta tun, denke ich? Noch eins trinken und mit der Bahn nach Hause, denke ich. (Hatte aber kein Geld mehr.)

Die Sonne versinkt langsam hinterm Horizont und die Wiese wird in ein idyllisches Abendrot getaucht. Es scheint so als wollte uns der Fußballgott noch einmal den Mittelfinger zeigen: „Es hätte so schön sein können!“

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