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Die Saison 2000/01


ist nicht nur die Saison mit den besonders vielen Nullen, nein das neue Jahrtausend krempelt den Fußball so richtig um. Flächendeckende Umstrukturierungen der Ligen sollen Deutschland in zwei Jahren wieder zu der Fußballnation machen, die es in den Siebzigern einmal war, die Nationalmannschaft durch eine leistungsstarke und nachwuchsreiche Basis aus der Krise führen. 2003 soll dann aus den zwei Regionalligen die dritte Fußball-Bundesliga entstehen, soll sich die Fußball-Landschaft gefestigt haben, und sollen sich die potenten Vereine von der konkursgefährdeten Masse abgetrennt haben. In der Umstrukturierung des Fußballbetriebes sowie in der modernen Vermarktung der Branche sieht man auf bundesdeutscher Funktionärsebene eine solide Basis, wieder zu den internationalen Marktführern des Geschäfts Fußball aufzuschließen und am großen Kuchen mitzuschneiden. Auch wenn der kausale Zusammenhang vielleicht nicht so gegeben ist, wie er sich konstruieren läßt, ist der Sprung in die Leipziger Tieflandebene kein allzu gewagter. Auch hier ist Fußball für die Stadtplaner das Vehikel, regionale Potenz vorzugaukeln und Image aufzubauen. Nach nunmehr fünf Jahren Chaosmanagement scheint das Problem Zentralstadion gelöst zu sein (ein privater Investor hat sich gefunden) und nach der Vergabe der WM 2006 träumt man in Leipzigs Ämtern wieder den Traum alter Propaganda-Sportfeste. Daß Leipzigs oberklassige Fußballvereine bei diesen Plänen keine unbedeutende Rolle spielen, hat man von vornherein offengelegt, aber statt eines Proteststurms traditionsverhafteter Lokalpatrioten läßt man sich mit Arbeitsplätzen, Ringelbietz und Bundesligavorfreuden korrumpieren.

Number one

Auftieg! Trainer Bonev läßt im Leutzscher Holz nichts mehr anbrennen.Nach dem sportlichen und wirtschaftlichen Absturz des VfB von einem international bekannten Renommierclub hinab zum Sud allerletzter Gülle maßt sich nun der FC Sachsen an, sich als Nummer 1 in der Stadt zu bezeichnen. Obwohl man tunlichst vermeidet, in die Großkotzfußstapfen der blau-gelben Stadtbrüder zu tapsen, hinterläßt der Schritt von der Chaoscombo zum Großunternehmen schwer zu kaschierende Spuren. Der No-Name ist 1999 zum neuen Aushängeschild der Stadt Leipzig geworden und fühlt sich in dieser neuen Rolle nicht unwohl. Zwar bestimmt über Führungsfragen im Prinzip Großfürst Till allein und nach gutdünken, aber bei Dingen, bei denen es ums große Geld geht, ist der „kleine Mann“ ja eh außen vor. Nur ist Chemie eben zum Glück nicht nur die erste Männermannschaft des FC Sachsen, sondern Chemie sind die vielen kleinen Netzwerke, Aktivitäten und Bekanntschaften, die um den Verein herum existieren und auf die der FC Sachsen zumindest jetzt noch nicht verzichten kann. Und so wirkt auch hier (wie in der großen Politik) die Meinung der Masse nach, gibt es Wechselwirkungen von Oben nach unten und umgekehrt, ist durchaus etwas möglich... Auch wenn aktuelle Tabellenstände gut davon ablenken, kann man davon ausgehen, daß in der Öffentlichkeit derzeit Namen wie Thomas Till mehr das politische Tagesgespräch der Stadt prägen und beeinflussen als die Namen von Wirtsschaftsmagnaten oder anderen Prommies. Daß sich die Führung des Vereins dieser Rolle vollauf bewußt ist, darf bezweifelt werden, spätestens nach den Verbalattacken mit dem RSL zu den Rassismusvorwürfen, was natürlich zu erwarten war aber auch viel schlimmer hätte ausfallen können. Nun ist man erst einmal froh, daß sich die wogen wieder geglättet haben und der Aprilwirbel den Aktionisten genügt hat. Eine Sensibilisierung für so gelagerte Themen findet beim FCS wegen des Aufstiegs in höhere Gefilde notgedrungen statt und das nicht nur in der Vereinsführung. Auch die offizielle (unabhängige) Fanorganisation (Verband der Fanclubs) war und ist derzeit dabei, sich zu anstehenden Fragen zu positionieren und Regelungen zu schaffen. Da sich die Teilnehmerzahl jedoch auf einige wenige nostalgische Fanclubveteranen beschränkt, bleibt die Diskussion jedoch meist in vorsintflutlichem Morast stecken. Der junge Fan scheint sich von vornherein in die distanzierte Konsumentenrolle zu fügen. Die (noch) relativ offenen Vereinsstrukturen werden zur Einflußnahme so gut wie gar nicht ausgenutzt. Immerhin gibt es nach Jahren wieder eine Fan-Initiative, nämlich um am Norddamm einen Fanblock entstehen zu lassen.

Auf dem Hoolsektor hat sich nach der Feuertaufe in Essen auch einiges getan, so daß man die Hools nunmehr als feste Größe unter den Fans betrachten darf. In Anbetracht des Absturzes des VfB ist zu erwarten, daß sich das jugendliche Gewalttäterpotential der Stadt nun im Fahrwasser der Chemie-Metastasen ansiedelt und sich die mithin doch recht bunte und tolerante Truppe bald in einen grau-in grauen Glatzenhaufen verwandelt, wie man ihn von anderen Vereinen kennt. Daß das nicht so schnell passiert, bzw. daß nicht Rassisten und Neonazis das Sagen bekommen, das ist bei Chemie zumindest nicht so unmöglich, wie es in anderen Städten der Ehemaligen der Fall ist. Aber auch hier wird nichts im Alleingang passieren, wobei man davon ausgehen darf, daß bei anhaltenden Erfolgen bald VfB-Hools den Anschluß in Leutzsch suchen werden.

Egal

Machen sich krumm für den Vereinob nun Schiemann oder Lünsmann die Tore schießen, nach einem Jahr Fußballregionalliga wird Chemie ein etwas anderer Verein sein, als er es die Jahre zuvor gewesen ist. Der Hauch des großen Fußballs wird seine Spuren hinterlassen und erste Erosionen verursacht haben. 2002 zum Volkssporttag soll das neue Zentralstadion der deutschen Jugend zum Geschenk gemacht werden und ab dann wird es wohl Samstags nicht mehr nach Leutzsch, sondern an die Jahn-Allee gehen. Auch wenn diese Entwicklung sich wohl nicht aufhalten läßt, steht es dem kritikfreudigen Fußballfreunden der Stadt gut zu Gesicht, kräftig gegen das Projekt und seine Zwecke zu wettern, und dabei durchaus die alten Chemietraditionen vorzuschieben, die mit dem Projekt dann den Bach herunter gehen werden. Daß der VfB sich nach einer Aufbau-Saison Oberliga für einen Wiederaufstieg erholt hat, ist nicht zu erwarten. Daß er ein Wörtchen im Leipziger Fußball mitreden wird, ist so lange gewiß, wie noch Leute nach Probstheida gehen, also keine Chance bekommen, sich anderswo mit ihrem sittenwidrigen Verhalten einzuschleichen. Und daß sich auf den Fanrängen in Leipzig auch weiterhin diese Spreu vom Weizen trennt, kann dieser Stadt eigentlich nur gewünscht werden.

Heidiwitzka!

A.R.

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