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VfB Leipzig – FSV Zwickau


Nichts Neues in Probstheida


Heute morgen erwachte ich, zerschlagen wie von einem furchtbaren Alptraum. Doch ich hatte nicht geträumt. Der Grund meiner von Fieber vergifteten Nachtruhe war ein höchst realer Besuch beim VfB Leipzig abends zuvor.

Hingefahren war ich mit dem ältesten Rad aus dem Schuppen, weil es aussah wie bereits demoliert. Zur zusätzlichen Absicherung wurde der Hansa-Aufkleber auf dem Schutzblech mit 1. FC Lok überpappt und der Anti-Atomkraft-Spucki auf dem Rahmen abgekratzt. Hatte keine Lust, wegen so 'nem linken Ding in Probstheida auf die Fresse zu bekommen. Angesichts der Ordnerbande vor Ort mochte man meinen, der Fußball zugunsten eines Nazi-Parteitags verschoben worden. Nicht nur die Männer, nein auch Kinder und Frauen sahen aus wie Faschisten. Eine fette, blondierte Klunte fühlte sich wohl in ihrem Reichsmessestadt-Pulli. Am Souvenirstand krakeelte ein einsamer Trinker der Kategorie Abschaum mit lauter, rauher Stimme. Ein ganz harter Typ, der sicherlich noch bei seiner Mutter lebt.

Ich habe ein großes Herz und ließ mich auf dem Dammsitz nieder, um den dortigen Durchschnitts-IQ zu heben. Lange Zeit sah es aus, als fänden sich dort nur Krüppel und Frühchen ein. Alle Kinder rauchten. Sie hatten Überbiss, Segelohren und struppige Haare, sichere Indizien für Inzucht und Alkohol während der Schwangerschaft. Ich glaubte zu verstehen. Sie waren die Nachkommen der Landbevölkerung, die einst mit der einsetzenden industriellen Revolution nach Leipzig gekommen waren, wo sie das absolute Lumpenproletariat bildeten, den blauen Montag erfanden und sich dem Aufgehen wenigstens ins Kleinbürgertum bis heute erfolgreich verweigerten.

Dann kamen noch ein paar gesund ausschauende Hools, rechte Skinheads und deutschnationalen Kutten, diese wieder krank. Selbst wenn mal ein Typ etwas intelligenter, meinetwegen nach Gymnasiast aussah, trug er Lonsdale, Alpha und New Balance. Die drei Grundschüler in der Reihe vor mir, ob sie ihren Abschluß schaffen, bezweifle ich, hatten weiße Hemden an und dazu dünne Lederkrawatten. Vermutlich weil es rechts wirkte. Hier, wo alles rechts ist. Leute wie um 1939. Was für ein Jungbrunnen für Rechtsnostalgiker. 40 % der VfB-Anhänger würden Schönhuber wählen, würde dieser für die NPD antreten.

Keine Ansätze von Gegenkultur. Weder anregende noch bunte Menschen. Die liberalsten Geister tragen Fishbone. So Sachen wie „...der farbige Spieler der Gegenmanschaft...“ müssen leise geflüstert werden. Falls mal wieder eine gutgemeinte Kampagne wissen will, was Deutsch ist, die Antwort liegt in der Oberliga Süd. Der Gastgeber spielte unglücklich, war zu dumm, seine vielen Chancen zu nutzen und ging in Rückstand. Schon brach die dünne Schale der Zivilisation auf den Rängen und Hasstriaden verkündeten den Geist von Probstheida. Übrigens waren es in meiner Umgebung die gesetzteren, nach Gastronom oder Taxiunternehmer aussehenden Typen, welche am übelsten in ihrem morastigen Sächsisch mit Kunstworten wie Ausländerarsch um sich pöbelten. Ihr Geifer spritzte mir in den Nacken.

Meinen Lebtag hatte ich es geschafft, dem Lied „Anton aus Tirol“ aus dem Wege zu gehen. Mit der musikalischen Umrahmung der Halbzeitpause ging diese königliche Serie zu Ende, worüber ich ein bißchen traurig war. Dafür lernte ich noch einen weiteren Song kennen: „Die Karawane zieht weiter, der Sultan, der küßt“. Nicht nur das meiste Publikum, auch die Musik im Plache-Stadion ist total eklig und absolut widerlich.

Im zweiten Durchgang fiel das 0:2. Auf der Tribüne sollen Zwickauer oder Chemie-Schweine gejubelt haben, jedenfalls stürmten Lokisten zu Dutzenden hinauf und es gab eine minutenlange Massenboxerei. Ich bin zwar mehr so ein Peacer, aber wenn Kerle sich schlagen und ich kann dabei zuschauen, finde ich das auch nicht schlecht. Interessant, wie schnell sich von den VIP-Plätzen Präsident Bauernschmidt und Hofnarr Achim Haas verkrochen hatten. Vielleicht sind sie ja auch dazwischen gegangen, nach dem Einschreiten der Miliz waren sie jedenfalls wieder da und sahen sich den trostlosen Rest des Spiels an, der zum größten Teil in Unterbrechungen wegen Zündeln von Feuerwerk und dem Abfeuern leichterer Artilleriegeschütze auf den Gästeblock, das Spielfeld und in die eigenen Reihen unterging.

Im Hoolblock versuchte ein Leipziger den ursprünglich vom BFC handelnden Ruf „Ha ho he – Faschisten-VfB“ zu etablieren - und das Wunder geschah: Keiner der Umstehenden fiel mit ein. Dafür ließ man Dieter Zurwehme und Mutter Beimer hochleben, wie lustig. Der Typ mit seinem Faschisten-VfB versuchte es noch mal vergebens, obwohl er ja in der Sache recht hat. So viele braune ....[zensiert, die Redaktion] auf einmal sieht man in dieser Stadt sonst nur noch am 1. Mai.

Dann war endlich Abpfiff, so daß ich mit der Gewißheit, für 12 Mark doch viel gesehen zu haben, den Mutantenstadel verlassen konnte.

Henry Haschke

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