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Familie Wallert - Die Zeit der Unschuld ist vorbei!


Nach über 4 Monaten Geiselhaft ist die Familie Wallert wieder in der Freiheit. Doch nun beginnt die Zeit der Fragen. Wie haben sich die Wallerts in Geiselhaft benommen? Haben die Wallerts dem Ansehen Deutschlands in der Welt geschadet? Was haben die Wallerts uns Deutschen am Ende wirklich gekostet? und Was hatten die Wallerts eigentlich auf Jolo zu suchen? Eine Reportage von Helmut

Am Samstag, den 09.09.00 wurde Marc Wallert nach über 4-monatiger Geiselhaft auf der philippinischen Insel Jolo entlassen. Vollbart, ein müdes Lächeln und die Gewissheit, ein Medienstar zu sein, ähnlich der Popularität eines Jürgen bzw. Zlatko. Überhaupt sind die Parallelen zwischen den Container-BewohnerInnen und der Familie Wallert gravierend. Beide mussten nichts machen, außer einfach nur da sein und nicht weggehen (Renate gab als erste auf). Beide hielten sich um die 100 Tage am gleichen Ort auf. Beiden war ein enormes Medieninteresse sicher. Die Wallerts haben überlebt, alle sind glücklich und nun beginnt die Zeit danach. Das Geiseldrama auf Jolo ist vorbei. Zwar gibt es noch immer Geiseln, darunter aber keine Deutschen. Ergo, Geiseln: ja - Drama: nein. Mussten schon nach der skandalträchtigen Rückkehr von Renate Wallert erste knallharte Fragen gestellt werden, wird die Sache nun ernst. Nach der Rückkehr von Werner und jetzt auch von Marc verdichtet sich mehr und mehr der Eindruck, dass es für Deutschland vielleicht besser gewesen wäre, wenn die Wallerts nie wieder gekommen wären. So eine Geiselgeschichte ist ein zweischneidiges Schwert. Für Medien, reisebegeisterte PolitikerInnen und KabarettistInnen ist so etwas immer eine schöne Sache. Viel lässt sich daraus machen. Für Reiseunternehmen, HotelbesitzerInnen im Ausland und „Geiselhaftschutzversicherungen“ ist eine Geiselhaft dieses Ausmaßes jedoch mehr als ärgerlich. Auch für die direkt Betroffenen gibt es durchaus eine Menge negativer Seiten, welche die positiven Seiten nicht selten aufwiegen wenn nicht sogar übertreffen. So eine Geiselhaft hat aber neben menschlich durchaus berechtigten Problemen vor allem eine politische Dimension. Geiselgenommene wie die Wallerts sind eben nicht nur irgendwie Opfer sondern vor allem Repräsentanten Deutschlands im Ausland. Man muss sich also die Frage stellen: Wie haben sich die Wallerts auf Jolo benommen?

Dass es sich bei der Familie Wallert nicht um Proleten und Asoziale handelt ist bekannt. Vielmehr sind die Wallerts eine LehrerInnen-Familie, von denen man schon erwarten kann, die politische Bedeutung ihrer Mission zu durchschauen. Als Jolo-Interessierter in Deutschland waren die ersten Wochen erst einmal davon geprägt, sich eine Vorstellung von der Situation vor Ort zu machen. Wer ist die Terroristen-Gruppe „Abu Sayaf“? Wo liegen eigentlich die Philippinen? Was wird gefordert? Schon nach der zweiten Woche berichtete eine amerikanische Expertin für Geiselnahmen in der Region in einem Interview mit der Frankfurter Rundschau, dass solche Geiselnahmen in der Regel 3-6 Monate dauern, die Terroristen am Anfang politische Forderungen stellen und sich dann schließlich mit Geld zufrieden geben, Tote gibt es eigentlich nie.

Ausgehend von dieser Situation konnte man auch von den Wallerts ein bisschen Sensibilität für die Situation erwarten, aber: Weit gefehlt. Renate fing als erste an, sich zu benehmen wie ein Kleinkind, und das vor den Augen der Weltpresse! Schon nach zwei Wochen gingen Bilder um die Welt, wie Renate halbtot auf einer Decke liegend ihr Ende erwartete. Fiberattacken, Schlaganfälle, Dauerdurchfall - alles in allem: Den Tod vor Augen. Das waren die Bilder, die uns über Renate präsentiert wurden. Kurz darauf schließlich dementierten die Geiselnehmer dieses öffentliche Bild. Ganz im Gegenteil wäre es so, dass Renate Wallert, sobald es Essen bzw. Trinken gäbe die erste sei, die losrennen würde. Der deutschen Öffentlichkeit kamen diese Worte von Commander Gnadenlos wie pure Menschenverachtung vor.

2 Wochen später schließlich lag auch Werner Wallert darnieder: Schlaganfall, kurz vorm Krepieren. Renate sei derweil im Busch zusammengebrochen kann nicht mehr laufen, kaum noch reden und bereite sich gerade auf den Tod vor. Immer wieder erreichten uns diese Bilder der Erbärmlichkeit. Schon jetzt drängte sich langsam der Eindruck auf, hier wird uns FernsehzuschauerInnen nur etwas vorgegaukelt. Doch anstatt von höchster Stelle ausrichten zu lassen, dass sich die Wallerts mal endlich zusammenreißen sollen, um das Ansehen Deutschlands nicht noch mehr in den Dreck zu ziehen, schaltete sich schließlich sogar Joseph Fischer in die Verhandlungen mit den Geiselnehmern ein und verwandelte die für uns Deutsche so schon sehr unrühmliche Geschichte in ein internationales Topthema und damit in ein internationales Desaster für Deutschland.

Entsetzlich war, dass sich nur die Deutschen so benahmen. Von keiner anderen Geisel wurden derartige Bilder geliefert, dass man sich schämen musste. Während die anderen Geiseln ihren Tagesbeschäftigungen nachgingen und darauf warteten bis ihre Länder sich um sie kümmerten, terrorisierten uns die Wallerts tagtäglich mit ihren Wehwehchen und Beschwerden. Zur Ehrenrettung muss man sagen, dass sich zumindest Marc bemühte, etwas Stil und Anstand zu wahren.

Der Höhepunkt der Peinlichkeit wurde aber mit der Freilassung Renate Wallerts erreicht. Die untersuchenden Ärzte berichteten über Renate, von der man dachte, sie sei dem Tod gerade noch so von der Schippe gesprungen, dass sie kerngesund und lediglich ein bisschen müde (!!!) sei. Deutschland war bis auf die Knochen blamiert!

Diese Frau, von der man dachte, sie habe jeden Tag einen heldenhaften Kampf gegen den Tod gewonnen, war nur „ein bisschen müde“! Unglaublich! Unerträglich wurde die Situation, als Anfang August der Vater einer französischen Geisel schwere Vorwürfe gegen Renate erhob. Mit ihrer Schauspielerei schade sie den anderen Geiseln, da die Geiselnehmer nun weniger Gnade gewähren würden. Außerdem bemühte sich Renate lediglich um ihre Präsentation in der Presse, anstatt den Verwandten der anderen Geiseln ein paar tröstende Worte zuzusenden.

Das Kokettieren mit der Presse scheint den Wallerts indessen im Blut zu liegen. Schon Sohn Dirk, der den Urlaub auf Jolo vermutlich aus Zeitgründen (wer kann sich schon wie die anderen drei Wallerts 4 Monate Urlaub in einem einzigen Sommer leisten) nicht mitmachte, und sofort nach der Geiselnahme verlauten ließ, dass er sich (gegen ein kleines Taschengeld versteht sich) nur mit RTL unterhalten werde. Darauf näher einzugehen kann sich der Autor wahrscheinlich sparen.

Viel entscheidender ist eigentlich die Frage, wie es zur Freilassung der Wallerts gekommen ist. Uns kann doch niemand wirklich ernsthaft erklären wollen, dass Libyen unsere Geiseln von Jolo weggekauft hat. Viel mehr drängt sich der Verdacht auf, dass uns die Wallerts eine riesen Stange Geld gekostet haben, die sich durch nichts rechtfertigen lässt. 2 Millionen Dollar soll jede Geisel gekostet haben. Das sind ca. 12 Millionen DM für alle Wallerts zusammen. Dass Libyen doch nicht das Geld zahlt, um dann von Joseph Fischer ein Dankeschön zu bekommen, dürfte klar sein. Ein Dankeschön kostet in Deutschland Gott sei dank noch nicht so viel.

Wahrscheinlicher ist, dass wir als SteuerzahlerInnen ein Haufen Geld ausgeben haben, um drei Geiseln zu befreien, die noch nicht einmal den Anstand haben, sich im Nachhinein bei uns als SteuerzahlerInnen zu bedanken. 4 Monate waren wir gut genug, um Anteil zu nehmen am Schicksal der Wallerts, um uns bei Commander Gnadenlos zu beschweren, um bei Chefvermittler Aventajado um größtmögliche Unterstützung zu bitten. Jetzt, wo alles vorbei ist, sind wir wieder nichts wert.

In diesem Zusammenhang darf auch schon einmal gefragt werden, was die Wallerts eigentlich auf Jolo zu suchen hatten. Unsereiner, der gerade einmal so viel Geld hat, um sich eine schöne Woche im Harz zu gönnen, muss nun auch noch 12 Millionen Mark aufbringen, um den Wallerts die Heimreise zu ermöglichen. Durch die intensive Berichterstattung weiß man mittlerweile, wie es auf Jolo aussieht. Wer will dort hin? Und was wollen die Menschen, die dorthin fahren? Auf Jolo ist einfach nichts, was sonderlich lohnend wäre zu besichtigen. Wer also doch dorthin fährt führt was im Schilde bzw. ist nicht ganz sauber, ist aber auf jeden Fall selbst Schuld und verdient nicht die Spur eines Mitleids.

Zu ändern ist jedoch nichts mehr an der Situation. Der Ruf Deutschlands im Ausland hat Kratzer erhalten. Die Philippinen scheiden definitiv als Urlaubsziel aus. Spott und Häme wären uns dort wohl noch die nächsten Jahrzehnte sicher.

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