Nachtgedanken von M.
Es war ein Abend, wie man ihn vom Schicksal zu oft vorgesetzt
bekommt, viel zu oft.
Es ist um 8, man will nicht in der Bude hocken, aber wohin man gehen soll
fällt einem verdammt noch mal auch nicht ein. Meistens geht man dann
doch noch los, und zwar dahin, wo man das Gesocks vermutet zu dem man
sich auch selber zählt.
In meinem Fall war das eine Connewitzer Spelunke, genannt "Ab-STELL-Kammer".
Als ich, nachdem ich von zu Hause losgegangen war, dort ankam, sassen
auch schon ein paar meiner einschlägigen Bekanntschaften dort rum.
Zu dieser Zeit fühlte ich mich gerade sehr deprimiert. Sicherlich
lag es daran, dass ich meine angestrebte Karriere als Informatiker an
den Nagel hängen konnte ( Meine Eltern hatten sich 7 Jahre geweigert
mir einen Computer zu kaufen). Auch mein als Alternative aufgenommenes
Philosophie-Geschichte Magisterstudium stand kurz vor dem Bafög-Tod.
Und eigentlich hatte ich gar kein Abitur.
Neben diesen sehr unwichtigen Sachen gab es dazu auch noch Dinge, die
mir richtig nahe gingen. Nach dem fünften Kreuzbandriss wollte mich
mein extremistischer Fussballverein "Der rote Halbmond" an einen
ortsansässigen Pferdeschlachter verhökern. Auch meine Frauengeschichten
liefen vernichtend zu dieser
Zeit.
Mit so einer Stimmung traf ich meine Kumpels in der "Abstellkammer",
naturgemäss hatten sie ähnliche Gefühlslagen. Obwohl ich
eigentlich nüchtern bleiben wollte, um meine aufgestauten Probleme
innerlich richtig zu verarbeiten, liess ich mich, nach einer halbstündigen
Diskussion von meinen Freunden zu dem alkoholhaltigen Getränk "Radler"
überreden.
Es wirkte grandios! Auf einmal unterhielt ich mich angeregt über
wichtige Dinge und hatte mit einem guten Bekannten eine enorm wichtige
Aussprache, die unsere Freundschaft noch mehr festigte. Auch meine anderen
Freunde, welche ebenfalls unter dem Einfluss des wundersamen Elexiers
Alkohol standen, erlebte ich nun sehr kommunikativ und ausgelassen. Besonders
imponierten mir ihre wohlformulierte Ausdrucksweise und der präzise
Fremdwörtergebrauch. So verplauderte ich Stunden.
Immer noch in diesem angeregtem Zustand beschloss ich dann, einen alten
Kumpel
von mir zu besuchen. Aus irgendeinem unerklärlichen Grund tat ich
das in letzter Zeit ziemlich oft. Ob es an seiner reichhaltigen Sammlung
an 1A-Computerspielen lag, weiss ich nicht, vielleicht ja. Mit dem Fakt,
das mein Freund nebenbei Haschisch verkaufte, hing es, glaube ich, nicht
zusammen.
Mein Plan war gewesen mit meinem Freund nochmal kurz die weltpolitische
Lage zu erörtern und dann bald nach Hause zu gehen um früh im
Bett zu sein. Aber mein Freund bot mir gleich eine Bong an. Ich lehnte
ab und dachte sehr lange nach, so ungefähr eine Minute, dann lehnte
ich doch nicht ab. Nachdem ich die Bong geraucht hatte, überkam mich
ein Gefühl als ob sich Fuchs und Igel auf der imaginären Lichtung
meines Gehirnes einen wunderschönen guten Morgen wünschen und
dazu mit Wodka anstossen. Kurz darauf kam ich wieder in die Realität
zurück, aber es war gar nicht schlimm, denn alle meine Probleme (z.B.
mit dem Bafögamt oder dem "roten Halbmond") erschienen
mir plötzlich total normal und sehr leicht lösbar. Angespornt
von spontanem Ergeiz machte ich mir in einer Minute einen kompletten Tagesplan
für Morgen, der um 6 Uhr früh beginnen und mich in die Uni,
zum Sozialamt, zum Ordnungsamt, zur Polizei und zu meinen Eltern führen
sollte .Dann erörterte ich mit meinem Dealerfreund noch kurz die
politische Weltlage und in Sage und Schreibe 5 Minuten kamen wir zu einem
für alle Beteiligten sehr befriedigenden Ergebnis.
Die Bong hatte sich wirklich sehr positiv auf unsere Synapsen ausgewirkt
und nun entwickelte ich einen ungeheuren Tatendrang, so verliess ich meinen
Freund in Richtung Disko. Ich waehlte die angesagte Diskothek "Schnapsherstellungsanlage"aus.
Vor dem Eingang traf ich gleich mal noch einen guten, alten Bekannten.
Er fragte mich, ob ich heute Nacht gerne einfach mal glücklich sein
wollte. Da sagte ich natürlich ja. Als mir der Typ dann anstatt eines
ordentlichen Arschficks nur eine kleine Tablette anbot, war ich zuerst
ziemlich enttäuscht. Da ich eigentlich gegen chemische Drogen war,
lehnte ich das Ecstasy ab, sagte aber dann, da ich keine Vorurteile hegen
will, doch ja.
In der Disko tanzte ich dann erstmal zwei Stunden ohne Unterbrechung
und beeindruckte so die anwesende Damenwelt ungemein. Meine sehr grossen,
ausdrucksstarken Pupillen und meine sehr angeregte Körpersprache
taten ihr Übriges. Mehrere wohlerzogene junge Damen machten mir eindeutige
Avancen.
Sie mussten gemerkt haben, dass ich einer dieser jungen, dynamischen Drogenkonsumenten
mit einem überwältigenden Gefühlsleben war.
Natürlich wählte ich nicht die netteste, sondern die mit Abstand
Attraktivste von ihnen aus, genau die, die eine Seele wie ein Haifisch
hat (in jeder Disko zu finden).
Ein wenig beschwipst vom Ecstasy flirtete ich stundenlang mit ihr. Nebenbei
küssten wir uns extatisch und schliesslich endeten wir auf ihrer
Wohnzimmercouch.
Ich gab mich ihr total hin und nach einer halben Stunde hatte sie einen
beachtlichen Orgasmus. Das passierte fünf Mal. Erst dann erlaubte
ich mir zu kommen und sie gnadenlos wegzuschemmen. Daraufhin verliebte
sie sich in mich und einen Monat später zogen wir zusammen.
Auch jetzt, ein halbes Jahr später, sind wir noch ein Paar. Und
manchmal, wenn ich ihr gerade mal treu bin, denke ich an jene Nacht zurück,
die in der Spelunke "Abstellkammer" mit einem Radler begann.
Und dann frage ich mich hin und wieder, was man daraus lernen könnte.
Und Trotz, dass die Geschichte ein bisschen haarsträubend klingt(
obwohl sie total wahr ist), kann man doch einen klaren moralischen Leitsatz
daraus entnehmen. Es ist der folgende: "-Keine Macht den
Drogen!- " Denn wenn alle die stärkende Wirkung von Drogen erfahren
würden, so wie ich sie erfuhr, dann hätten die Sozialämter
ja gar nichts mehr zu tun. Und dann wuerde der Kapitalismus endgültig
siegen, und das wollen wir ja doch wohl alle nicht!
Auf Bald, M.!
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