Olympia kommt,
und alle machen mit!
Leipzigs Größenwahnprojekte wie Neue Messen,
Bahnhöfe und Sporthallen, Tunnel, Fußball - WMs und diverse
Stadien scheinen die Mehrzahl der Leipziger nicht weiter zu tangieren.
Zu sehr hat man sich hier in die Verhältnisse nach der Einführung
der Banane ergeben, zu wenig ist man in Leipzig gewillt, eigene Werte,
gewohnte Lebensqualität und eigene Idendität gegenüber
Großmäulern und Abzockern, die nach dem Fall der Mauer 'gen
Ost zogen und in Leipzig immer noch Gold finden, zu verteidigen. Olympia
2012 in Leipzig ist das letzte jener besagten Prestige-Projekte, für
das sich einige wenige Politiker, allen voran Rathaushäuptling Tiefensee
und sein Zögling Stadtjugendfüherer Jung z. Z. besonders ins
Zeug legen. Momentan ist man mit dem einst traurig belächelten Spleen
kranker Hirne soweit gekommen, daß man den obligatorischen regionalen
Olympia-Verein gegründet hat, der Gelder abfassen, das Projekt repräsentieren
und strategisch durchboxen soll.
Alles nicht der Rede wert und man könnte darüber
wirklich herzlich lachen, wie sich Halbwahnsinnige und Volltrottel nach
Honeckers gescheitertem Unternehmen Ende der Achtziger noch einmal zum
Clown machen, aber man hat in Leipzig seit der Neuen Messe schon Pferde
kotzen sehen und muß den Wahnsinn, den das Rathaus produziert, langsam
ernst nehmen.
Kanonen statt Butter
Ernst nehmen schon deshalb, weil es eben keine wirklichen goldenen Esel
gibt, die vom Himmel fallen, wie Herr Kölmel, der bankrotte Zentralstadion-Bauherr.
Fakt ist vielmehr, daß sich kleine, buckliche Regionalpolitiker
mit ehrgeizigen Phantasieprojekten hocharbeiten, und das beständig
auf Kosten dessen, was sie vorgeben, zu erhalten bzw. auszubauen. So wird
in Leipzig der Volks- und Breitensport seit Jahren konsequent zu Tode
gekürzt, verkommen die städtischen Sporteinrichtungen (Schwimmhallen,
öffentliche und freie Sportanlagen), zockt man Sportinteressierte
gnadenlos ab. Ab 20. Mai dürfen Ordnungsamtmitarbeiter sogar auf
Fußball spielende Kidies in Parks schießen.
Erinnert sei auch an die (zugunsten der Zentralstadionfinanzierung) gestrichenen
Sportanlagen im Sportforum, erinnert sei an die kommunal vorangetriebene
Kommerzialisierung des Breiten- und Profisports, an die verquaste Fußballpolitik
um Zentralstadion und den beiden großen Leipziger Fußballvereinen,
erinnert sei an die Unterwerfung Leipzigs zu Diensten der Fußball-Weltmeisterschaft
2006 usw, usw.
Der politischen Führung der Stadt ist keine Idee zu überzogen,
um ihre persönlichen Interessen auf Kosten dieser Stadt und ihrer
Einwohner durchzuboxen. Daß ihnen diese Politik nicht das Genick
bricht, ist der Lethargie und dem Vasallentum der ansässigen Bevölkerung
zu schulden, die nach DDR-deutschem Propagandanuster jeden Brocken schluckt
und mitträgt, den man ihr hinwirft.
Wessen Scheiße ich freß, dessen Arsch ich küß
Auffällig bei all dem ist eben, daß sich weder die vor einem
Dutzend Jahren angeblich so riotgeile Leipziger Bevölkerung und ihre
gewählten Rächer der Entehrten für die Ego-Trips ihrer
Amtschefs so widerstandslos einspannen lassen. Bündnis-Grüne
müffeln oberflächlich etwas wegen des Umbaues der Marschnerstraße,
Wählerfänger der PDS lassen sich über den Tisch ziehen,
andere stoßen um Mitzuhalten ins gleiche Horn, der Pöbel bangt
und hofft auf Arbeitsplätze, hofft wohl, daß sich die kapitalistische
Enklave Leipzig dann gesetzmäßig zum alternativ-kapitalistischen
Himmelreich hin entwickelt, wenn nur jetzt die richtigen Entscheidungen
getroffen werden.
Weder freie Kultur, die lieber einen weißen Januar ausruft als
einen heißen Frühling, weder Leipzigs angeschissene Sportler,
weder entmündigte Fußballfans, keiner in Leipzig hat dem willentlich
etwas entgegenzusetzen, als ob die Phantasien der Karrieremacher ins gegenwärtige
wunderbare Leben paßt.
Sport als Gegenkultur der Linken
Diese Headline mag die meisten Leser sicher schockieren, aber genau das
war er einmal und scheint er seit der Ausrufung des neuen Deutschland
entgültig nicht mehr zu sein. Selbstorganisation, Gegenkultur, Widerstand
scheinen flächendeckend out, man ergibt sich in die Zustände,
machst sich - statt die Entwicklungen zu entlarven, zu sabotieren, sich
ihnen im Größtmaß zu verweigern - nicht nur wissentlich
sondern auch praktisch zum systemstabilisierenden Mitlaufer.
Das schafft das Feld, auf dem die Saat der Tiefensees und Jungs ungestört
aufgehen kann, obwohl jeder in dieser Stadt weiß, daß schon
eine kleine Gruppe mit Durchhaltevermögen hier vieles reißen
kann. So aber gibt es zu den breitseitenweise angreifbaren Kampagnen der
Olympiabeführworter keinerlei Gegendruck, haut keiner in die willig
hingehaltene Fresse mit den fünf Ringen. Was Anti-Olympiakommiteès
in Städten wie Berlin 1994 erfolgreich vorgemacht haben, ein paar
witzige Aktionen, etwas Pöbelei, ein paar Schriftstücke zur
rechten Zeit, scheint im Jahr 2002 abgelegte Geschichte.
Die Lüge ist die Mutter der Wahrheit
Daß Olympia der Bevölkerung Vorteile bringt, ist eine Lüge,
das beweisen durchweg alle der letzten Olympiaden. Daß Olympia einige
wenige reicher und berühmter macht, ist eine Tatsache. Auch das beweisen
die letzten Olympiaden. Die Fakten sind keine Geheimnisse und für
jeden, der sich darum bemüht zugänglich.
Das kapitalistische System nur auf Wirtschaftsgipfeln und Tagungen angreifen
erscheint bei Angeboten wie Olympia dagegen absurd, stärken doch
genau diese Ereignisse das System, verdrängen und beschränken
seine natürlichen Gegner. Wenn Leipzigs Olympiabeführworter
heute großkotzig für Olympia werben, dann muß es einfach
auch ujemanden geben, der hinzufügt: steigende Preise, Stadtflucht,
Investruinen, höhere Steuern, Überwachung, Abbau von Freiheiten
usw, usw...
Wollt ihr das totalen Olympia?
Leipzigs unsportliche Bevölkerung sagt ja zu Olympia. Leipzigs sporttreibende
Bevölkerung starrt wie das Kaninchen auf die Schlange. Leipzigs Linke
hockt nach gut einem Jahr offizielle Olympiaplanung willig auf den für
sie hergerichteten Spielwiesen, verpaßt wieder einmal eine Chance,
wenigsten etwas Spaß zu haben, am und im verrückt spielenden
System.
Forza RSL!
Grit
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