In der Provinz tut sich was...
Wir haben unseren Namensvettern mal etwas auf den Zahn gefühlt.
Sie stellten sich als ganz vernünftige Zeitgenossen heraus. Nur
Fußball Spielen müssen sie wohl noch ne Weile üben
Wie lange treibt sich der Paradiesvogel "Roter Stern"
schon auf Altenburger Fußballplätzen rum?
Am 5.11.2000 trafen sich fünfzehn Sportsfreunde in der Deep Under
Bar in Altenburg, um einen Fußballverein zu gründen. Als Name
sollte "Roter Stern Altenburg `00 e.V." festlegt werden. Eine
Satzung wurde beschlossen und der Vorstand gewählt. In der Spielsaison
2001/02 wurde der Spielbetrieb aufgenommen. Heimstadion ist der Waldspielplatz
in der Zwickauer Str.70. Bis dato haben wir einen Kader von 26 aktiven
Spielern.
Vereine die sich mit dem Roten Stern schmücken, gibt es nicht
viele. Warum nennt ihr Euch nicht Fortuna oder Eintracht, sondern Roter
Stern Altenburg?
Gute Frage. Jeder definiert den Namen "Roter Stern" anders.
Konsens war, dass wir uns dem Main Stream entziehen wollten und eine Alternative
in der verkrusteten Altenburger Fußballlandschaft setzen wollten.
Fortuna oder Eintracht sind herkömmliche Namen und unterstreichen
nicht den alternativen Charakter des Vereines. Ziel ist natürlich
auch den Zusammenhang in der Szene zu stärken und mit diesem Namen
Anlaufpunkt zu sein für das richtige Klientel.
Die alternative Szene zu betonen und zu versuchen ein Netzwerk mit dem
Namen Roter Stern aufzubauen. Wir haben mitgezogen, jetzt müssen
andere Städte ran.
Wäre doch schön, wenn der Name "Roter Stern" in Deutschland
in aller Munde ist.
Und alternative Leute in den unterschiedlichen Regionen einen Anlaufpunkt
hätten.
Gab es gar Vorbilder?
Ja, gab es. Die Frage ist nicht schwierig zu beantworten. Natürlich
war das Vorbild der Rote Stern Leipzig. Einige Leute pflegen seit längerer
Zeit Kontakte untereinander. Man trifft sich bei Chemie und St.Pauli.
Momentan seid ihr noch der große Bruder in Sachen Bekanntheitsgrad,
Öffentlichkeitsarbeit und sportlicher Situation. Wir versuchen aber
irgendwann mitzuhalten. Aber das ist natürlich in einer Kleinstadt
schwieriger, als in Leipzig mit sehr guter Infrastruktur innerhalb der
Szene.
Waren Eure Ambitionen diesen Verein zu gründen ausschließlich
sportlicher Natur?
Oder seid ihr auch auf dem politischen/kulturellen Gebiet aktiv?
Dies sieht natürlich jeder anders. Einige versuchen schon latent
politischen Einfluß auf die Fußballlandschaft zu nehmen. Dies
halte ich auch für völlig legitim. Man ist eben immer noch ein
politischer Mensch auch wenn man ins Stadion geht und gibt sein Gehirn
nicht am Eingang ab. Fußball hat eben etwas mit der Gesellschaftskritik
zu tun, Innerer Sicherheit oder Vereinspolitik. Ich muss aber für
den großen Teil der Spieler und Fans schreiben und die Mehrheit
der Leute will mit Politik nicht in Verbindung gebracht werden. Es geht
den Leuten einfach nur um die sportliche Betätigung und Spaß
an der Freud. Auch ist dies natürlich auf offizieller Seite besser,
unser Name stößt einigen Leuten schon genug auf.
Man muss die Antwort also differenzieren, das Groß der Leute sieht
den Verein aber als sportlich und kulturell und weniger als eine politische
Plattform. Wir sind politisch alternativ und lassen uns von niemanden
vereinnahmen. Jeder ist herzlich eingeladen die Spiele zu besuchen, außer
natürlich rechte und konservative Nasen, aber die kommen aufgrund
des Namens natürlich sowieso nicht.
Aus was für Leuten setzt ihr Euch zusammen, geht es den meisten
hauptsächlich ums Fußball spielen?
Die Frage kann man schnell mit "ja" beantworten. Einige Leute
haben früher als Teenager in anderen Vereinen gespielt und haben
sich in Freizeitmannschaften fit gehalten. Jetzt haben wir mit unseren
Verein eine Alternative angeboten. Die meisten Leute haben eigentlich
alle Bock zum Fußball, aber natürlich darf auch der Spaß
nach dem Spiel nicht zu kurz kommen
Heimspiel beim Roten Stern Leipzig haben zweiwöchentlichen Eventcharakter-
es gilt das Motto: Sehen und Gesehen werden. Wie sieht`s bei euch aus?
Konntet ihr schon eine treue Anhängerschaft um euch scharen?
Natürlich kommen wir zahlen- und supportmäßig nicht an
Euch ran. Aber dies ist aufgrund der Größe der Stadt und mangels
Infrastruktur und kulturellen Angebot kaum möglich. Aber lustig ist
es bei uns allemal und das ist die Hauptsache. Für die Größe
der Stadt haben wir eine beachtliche Anzahl an Fans und stellen somit
die meisten in der Kreisklasse/Kreisliga. Zu den Auswärtsspielen
sind im Durchschnitt 50-80 Leute unterwegs. Zu unseren Heimspielen im
Durchschnitt 100. Bei dem Spitzenspiel gegen Motor waren 240 Leute anwesend,
davon 200 auf unserer Seite. Schals, Aufkleber und Aufnäher haben
wir auch schon angefertigt und die sind nach einigen Tagen "sold
out".
Ich könnte mir vorstellen das euer Vereinsname nicht nur positive
Anklang findet, habt ihr Probleme in dieser Hinsicht? Falls ja, wie zeigt
sich dieses? Wie geht ihr damit um?
Das Ordnungsamt war zuerst sehr skeptisch aufgrund des Namens. In den
letzten Monaten
haben wir uns aber einen guten Ruf erarbeitet, die Zusammenarbeit mit
Ordnungsamt und Polizei läuft den Umständen entsprechend recht
gut. Der Verein wird in Altenburg akzeptiert und anerkannt. Da sie auch
bemerken, dass von unseren Fans keine Aggressionen ausgehen, sondern einfach
nur das Team friedlich supporten wollen. Nach einigen Ärger mit Rostizer
und Langleuba-N. Nazis versucht uns das Ordnungsamt kleine Steine in den
Weg zu legen. Der Bierausschank wurde auf einmal verboten, dann sollten
wir Ordner stellen und seit Neustem ist auch bei jedem Spiel die Polizei
anwesend. Trotzdem hält sich der Ärger über die Behörden
in Grenzen. Bier kann man trotzdem kaufen, wenn auch nur in Flaschen und
2, 3 Ordner sind auch kein Problem. Die Stadt ist natürlich überrascht,
dass unser Verein soviel Zulauf hat währenddessen es bei anderen
Vereinen bergab geht. Ansonsten ist bis dato alles bestens. Mit Anwohnern
gibt es keinen Ärger, ältere Leute schauen neugierig mal zu
uns hoch, um nebenbei eine Bratwurst zu essen. Und mit Zuschauern und
Spielern der anderen Mannschaften läuft auch alles recht harmonisch
bis auf 2 Ausnahmen. Der Name stößt eben bei einigen Dorffaschos
übel auf. Aber damit können wir leben.
Ein Blick auf die Tabelle eurer Liga (www.rotersternaltenburg.de)
reicht, um zu sehen
das ihr schon ein gutes Stück von der Tabellenspitze entfernt seit.
Wo seht ihr euch am Ende der Saison? Seit ihr mit dem sportlich erreichtem
zufrieden?
Zufrieden ist man nie, aber noch besteht die Chance aufzusteigen, wenn
wir weiter an unsere Leistungen der letzten Spiele anknüpfen und
natürlich eine Menge Glück haben. Das Ziel war eigentlich nächstes
Jahr aufzusteigen und diese Saison erst einmal Spielpraxis erlernen. Spaß
und Zusammenhalt steht aber im Vordergrund.
Beim Roten Stern Leipzig haben sich kurz nach der Gründung sehr
schnell andere Bereiche etabliert, neben einer Schachgruppe, einem Frauen-Fußballteam
gibt es seit
dieser Saison auch ein B-Jugend-Mannschaft. Gibt es in diesem Hinsicht
bei euch auch Überlegungen euch zu erweitern?
Wie schon gesagt wir sind nicht Leipzig, sonder eine Kleinstadt. Aber
Pläne gibt es schon. In naher Zukunft soll eine 2.Mannschaft gegründet
werden und eine Tischtennismannschaft. Bei der Tischtennismannschaft geht
es erst mal um Präsenz als das Ziel aufzusteigen. Wenn dies erledigt
ist, schauen wir weiter.
Da sich die treue Leserschaft hauptsächlichen aus Jugendlichen
aus Leipzig zusammen setzt und diese nur selten den Blick über die
Stadtgrenzen hinaus wagen: Gebt doch mal einen kurzen Überblick,
was in Altenburg so geht, sei es im subkulturellen oder im politischen
Bereich.
Anfang der Neunziger Jahre war die Stadt eher von Nazibirnen bevölkert
mit einer kleinen aber standhaften linken Szene. Dieses Blatt hat sich
zum Glück seit einigen Jahren massiv geändert, so dass man Nazibirnen
kaum noch ausmachen kann und die gegenseitigen Aktionen im Rahmen bleiben.
Seit sich der Rote Stern gegründet hat, werden auch wieder die Birnen
aktiv und holen sich Hilfe aus anderen Städten.
Das Stadtbild ist jetzt eher geprägt von alternativen Leuten. Skatern,
Hip Hoppern, Bunthaarigen etc.. Die alternative Szene hat mehrere Anlaufpunkte.
Die RS-Spieler und deren Fans sind oft im Cafe Deep under the Bar anzutreffen,
welches von Montag bis Freitag geöffnet hat. Hier gibt es billiges
Bier und herrscht eine familiäre Atmosphäre. Man trifft sich
unter der Woche, vor und nach Heimspielen bzw. Auswärtsspielen. Das
Jugendcafe "Rote Zora" ist eher für den Nachwuchs da. Die
Music Hall ist auch über die Grenzen Altenburgs bekannt, hier sind
alle 14 Tage Konzerte, die Palette reicht von Ska, Rock über Pop.
Außerdem gibt es noch das Kanonenhaus (www.kanonenhaus.de) , hier
wird alternativer Techno/House gespielt, aber auch andere Sachen bis zu
gelegentlichen Konzerten. Desweiteren gibt es noch Anlaufpunkte, Irish
Pubs und die Villa, die natürlich auch andere Leute anziehen. In
Kneipen trifft man sich gelegentlich, es gibt aber keine festen Strukturen.
Politisch gesehen ist hier alles recht unorganisiert, bei Bedarf schließt
man sich kurzfristig zusammen. Mit Leipzig ist es aber in keinster Weise
vergleichbar.
Euch steht ein spannendes Match gegen die 2.Mannschaft des Roten Sterns
aus Leipzig bevor. Wie ist euer Tipp?
Unsere Taktik werden wir hier nicht verraten. Laßt euch überraschen.
Wir werden natürlich 3:1 gewinnen. Besucht unsere Internetseite (www.rotersternaltenburg.de)
Als letztes möchte ich euch noch einen Termin an`s Herz legen. Bitte
kommt zahlreich am 23.03.02 nach Altenburg und unterstützt uns gegen
Rositz. Auch diesmal werden wieder massiv Birnen aus dem rechten Lager
aus ganz Thüringen/Sachsen anreisen. Treten wir dem braunen Scum
friedlich entgegen, mit einem anschließenden Exkurs in das Altenburger
Nachtleben.
Ein Gruß nach Leipzig. Forza Roter Stern.
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